Es gibt sie noch, die guten Nachrichten: Das Medienvertrauen in Deutschland ist nach Jahren des Bergabs wieder gewachsen. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap halten 61 Prozent der Befragten die Informationen durch deutsche Medien für glaubwürdig – eine Steigerung um fünf Prozentpunkte gegenüber der letzten Erhebung im Herbst 2023. Dabei schneiden öffentlich-rechtliche Angebote und Tageszeitungen besonders gut ab. Ob das schlicht der verdiente Lohn für gute und ausdauernde journalistische Arbeit ist oder ob sich die Menschen in einer immer bedrohlicher erlebten Welt wieder verstärkt etablierten Medien zuwenden, lässt sich aus den Zahlen nicht ablesen. Beruhigend ist die Entwicklung angesichts des gleichzeitigen Umsichgreifens von Falschnachrichten in jedem Fall. Anlass zur Entwarnung gibt sie jedoch nicht: Die Tatsache etwa, dass mehr als zwei Drittel der AfD-Anhänger die öffentlich-rechtlichen Medien für verzichtbar halten, muss ein Weckruf sein, die Fragmentierung der Gesellschaft nicht weiter voranschreiten zu lassen.
Die Journalistin und Fernsehmoderatorin Shakuntala Banerjee teilt die Sorge, dass sich die politischen Lager in Deutschland zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen. Im Podcast Vom Großen und Ganzen kritisiert die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion „Politik und Zeitgeschehen“ den Anspruch, mit dem viele Menschen heute aufträten, die alleinige Lösung für ein bestimmtes Problem zu kennen. „Die Art, wie wir uns die Argumente um die Ohren hauen, trägt nicht dazu bei, in Ruhe zu überlegen, was wir aus dieser Situation machen, in der es viel zu gewinnen und auch einiges zu verlieren gibt“, so Banerjee. Im alltäglichen Leben wie in der Politik brauche es mehr Vertrauen ineinander. Demokratie lebe davon, mit wechselnden Machtverhältnissen umgehen zu können. „Wenn wir das aufgeben, indem wir sagen: ‚Jetzt ist alles vorbei‘, sobald jemand an der Regierung ist, der nicht meine politische Farbe hat, dann geben wir alles auf.“
Die Aufgabe der Medien sieht Banerjee darin, den Menschen ein möglichst umfassendes und ausgewogenes Bild der Wirklichkeit zu bieten. Mit Blick auf die Multikrise der Gegenwart (vgl. die zurückliegenden Podcast-Folgen zum Klimawandel, zur Außenpolitik, zu gesellschaftlichen Spannungen und zur Sozialen Frage) hält sie fest: „Wir Menschen wünschen uns, den einen Faden zu finden, und dann entwirrt sich alles. Wir sitzen vor einem riesigen Knäuel und fragen uns: Wie geht das auseinander? Doch ich fürchte, diese einfache Lösung gibt es nicht.“ Vielmehr gelte es, die Verflechtung zu verstehen und die Aufgaben langsam zu entwirren. Daher dürften auch die Medien nicht der Versuchung erliegen, ihr Programm nur danach auszurichten, wie sie möglichst viele Zuschauer oder Leser binden können. Leitend müsse die Frage sein, welche Nachrichten und Hintergründe die Menschen benötigen, „damit sie sich in ihrem Umfeld zurechtfinden können“.
Hier räumt die Politikjournalistin eine Mitschuld ihrer Branche an Aufmerksamkeitsverschiebungen in der öffentlichen Debatte ein. Sie verweist aber auch auf die Unentscheidbarkeit der Henne-und-Ei-Frage: „Ist zuerst das Interesse da und dann berichten wir über etwas oder berichten wir und dann steigt das Interesse der Menschen?“ – beide Zusammenhänge seien wirksam. So existiere in der Bevölkerung derzeit etwa ein verstärktes Interesse, darüber informiert zu werden, ob von Migranten eine besondere Gefährdung ausgehe. Diesem Interesse nicht zu begegnen und nur noch „Nachrichten aus dem Elfenbeinturm“ zu senden, bedeute, die Menschen in die Hände von Desinformationstreiber zu verlieren. Gleichzeitig benennt Banerjee die Gefahr, in eine gruppenbezogene Berichterstattung zu rutschen und Ressentiments zu verstärken. Immer wieder standen Medien zuletzt in der Kritik, weil Gewalttaten, die von Migranten verübt wurden, in der Berichterstattung ein deutliches Übergewicht gegenüber der tatsächlichen statistischen Verteilung hatten. Banerjee sagt, sie selbst sei eine Anhängerin des alten Pressecodex, wonach die Herkunft eines mutmaßlichen Täters nur dann genannt werden sollte, wenn sie relevant für das Vergehen ist. Dies sei ihrer persönlichen Einschätzung nach deutlich seltener der Fall, als es gegenwärtig praktiziert werde.
Kritische Töne schlägt die studierte Politikwissenschaftlerin auch beim Thema Soziale Medien an, deren Funktionsweise Aufregung belohne und dazu verführe, dass sich die Lautesten durchsetzen. So entstünde aus Kleinigkeiten schnell ein Sturm im Wasserglas, der die Stimmung weiter aufheizt. Mit dem Siegeszug der digitalen Plattformen sei aber auch eine Demokratisierung der Debatte verbunden, da sich Menschen am Diskurs beteiligen könnten, die früher eher selten Zugang dazu hatten. Daher sei es wichtig, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Präsenz in den Sozialen Medien ausbauten, um das Feld nicht radikalen Akteuren zu überlassen, so Banerjee.
Für den Umgang mit besorgniserregenden Nachrichten empfiehlt die Journalistin, sich nicht überwältigen zu lassen und ein eigenes Gespür dafür zu entwickeln, wann man genug Informationen habe. „Die meisten von uns müssen nicht jede Nachrichtenumdrehung mitkriegen, um gut informiert zu sein. Man darf auch mal einen Tag Pause machen.“ Eine besondere Bedeutung komme hier dem sogenannten positiven Journalismus zu, der gezielt gute Entwicklungen in den Fokus der Aufmerksamkeit stelle.
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