Die Heilig-Kreuz-Kapelle in Landsberg im Saalekreis, die sich eindrucksvoll auf einem Porphyrfelsen über die Landschaft erhebt, ist das prominente obertägig erhaltene Zeugnis dafür, dass sich hier einst eine bedeutende Burg aus dem 12. Jh. befand. Deren Überreste stehen im Fokus mehrjähriger Lehr- und Forschungsgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen- Anhalt, die sich unter Beteiligung von Studentinnen und Studenten der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg über jeweils einige Wochen im Sommer erstrecken. Die Untersuchungen liefern aufschlussreiche Erkenntnisse über die baulichen Strukturen und Entwicklungen sowie zum Leben auf der Burg.
Die Heilig-Kreuz-Kapelle ist ein besonderes Kleinod an der Straße der Romanik und von hohem öffentlichem Interesse. Die meistgestellte Frage, die sich den zahlreichen Besuchern aus nah und fern aufdrängt lautet: »Wozu steht eine so prachtvolle Kapelle hoch oben einsam auf einem schroffen Felsplateau?« – so auch formuliert von Angela Pfotenhauer und Elmar Lixenfeld in ihrer Monumente-Publikation über eine Architektur-Reise zur Romanik in Sachsen-Anhalt. In der Tat ist vielen nicht bewusst, dass im Mittelalter eine Burg die Szenerie bestimmte, zu deren Bestandteilen der Sakralbau gehörte. Den einstigen Kontext (be-)greifbar zu machen stellt eine wesentliche Aufgabe des Projektes dar.
Castrum etiam, quod Landsberg dicitur, construxit
Als Herrschaftssitz spielte Landsberg bereits im 10. und 11. Jh. eine Rolle. Der Kapellenberg ist umgeben von ausgedehnten Siedlungsarealen und Befestigungsanlagen aus jener Zeit. Bei den Funden handelt es sich überwiegend um Gefäßkeramik, die mit dem Töpferkamm mit Strichgruppen und Wellen verziert wurden. Doch erst im 12. Jh. wurde auf dem Felsen eine steinerne Burg errichtet, unter dem Markgrafen Dietrich, dem zweitältesten Sohn des Markgrafen Konrad von Meißen. Dietrich kam 1156 zur Herrschaft und starb 1185. In diesem Zeitraum muss die Burg gebaut worden sein. Nach derzeitigem Kenntnisstand dürfte eine Mauer samt Anplanierung, zur Schaffung einer Ebene, aus dieser Zeit stammen. Als Anhaltspunkt zur Datierung darf der Fugenstrich geltend gemacht werden. Das Fundmaterial aus dem hinterfütterten Erdreich ist allerdings älter, sodass selbst eine Datierung in die Zeit der Ottonen (919 – 1024) nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Beim Fugenstrich werden mit der Maurerkelle Linien in den feuchten Mörtel geritzt, die das Fugennetz zwischen den Steinen betonen. Die Hauptverbreitungszeit der Technik liegt in der Region zwischen der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jh. Aus anderen Gegenden sind steinerne Bauwerke mit Fugenstrich durchaus auch aus älteren Zeiten bekannt. Ab 1174 wurde Dietrich nach Landsberg benannt, obgleich er nicht bloß die Burgherrschaft besaß, sondern Anspruch auf die Herrschaft über eine Marchia orientalis erhob, eine östliche Mark, die auch Mark Lausitz genannt wurde.
In Hinblick auf die Kapelle stellte sich die Frage, ob sie zeitgleich mit der steinernen Burg entstanden ist und keinen Vorgängerbau hatte, wie die Annalen von Altzelle am Ende des 15. Jh. behaupten. In der Chronica Montis Sereni aus dem frühen 13. Jh. heißt es lediglich, Markgraf Dietrich habe eine Burg errichtet, die Landsberg heißt (»Castrum etiam, quod Landsberg dicitur, construxit«). Diese Chronik wurde von einem Angehörigen des Petersklosters verfasst, das die Wettiner auf dem Lauterberg gestiftet hatten, auf jenem Porphyrfelsen also, den wir heute als Petersberg kennen und der sich in Sichtweite Landsbergs befindet. Die Ergebnisse der Bauforschung an der Kapelle sind 2014 durch den Denkmalpfleger und Bauforscher Reinhard Schmitt zusammengefasst worden: Stilistisch spricht nichts gegen eine Erbauung im letzten Viertel des 12. Jh. Es gibt keine Hinweise auf einen Vorgängerbau und keine Baufugen, die auf eine Änderung des Bauplans schließen lassen. Das Bruchsteinmauerwerk war von Anfang an mit Backsteinbrocken durchsetzt, was heißt, dass die in Backstein ausgeführten Bauteile nicht erst später hinzukamen, wie lange angenommen.
Blut schwitzende Säule
Wie die Lauterbergchronik berichtet, hatte Markgraf Dietrich aus Rom ein Stück vom Heiligen Kreuz nach Landsberg mitgebracht. Durch diese Reliquie konnte der Kreuzestod Christi in der Kapelle vergegenwärtigt werden. Durch den Einbau einer antiken Säule ließ sich an die Tradition der alten Römer anknüpfen. Der Legende nach soll die Säule am Karfreitag Blut und Wasser schwitzen, womit sie ebenfalls mit dem Tod am Kreuz in Verbindung gebracht wurde. Die Säule besteht aus weißem Marmor. An der Oberfläche haben sich Partien mit Rötel erhalten und bei Wetterumschwüngen im Frühling wird die Oberfläche aus physikalisch erklärbaren Gründen feucht, sie schwitzt.
Das zweite Geschoss der Kapelle gilt als der dem Herrscher vorbehaltene Teil des Kirchenbaus. Es zeichnet sich durch eine größere Raumhöhe, durch aufwendigeren Kapitellschmuck im Inneren, die Lisenengliederung der Mittelapsis sowie die Verwendung des seinerzeit hochinnovativen Baumaterials Ziegel aus. Im Norden des Raums zeigt sich ein heute vermauerter Zugang. Im Vorfeld wurde von der Kapelle bis zur Abbruchkante ein Schnitt gezogen. In den anstehenden Porphyrfels sind Pfostengruben hineingeschlagen, die auf ein steinfundamentiertes Gebäude zulaufen. In dessen Umfeld fanden sich frühe Ofenkacheln, Marien- und Fensterglas sowie kleine Bruchstücke von Architekturteilen, wie Säulen, die von gekuppelten Fenstern stammen könnten. Vermutlich bestand hier ein hochliegender Übergang von der Kapelle zu einem Palasbau, ein Zustand, der sich mit der staufischen Burg in Eger (Tschechien) vergleichen lässt. Der Herrscher konnte die Kapelle demnach von einem Bau mit Wohn- und Festsaal über einen gesonderten Zugang betreten.
Dedo der Feiste
Nach dem Tod Dietrichs (1185) ging die Markgrafschaft an seinen Bruder Dedo über, dem man im 16. Jh. den Beiname »der Feiste« gab. Der Chronist auf dem Lauterberg hatte nämlich berichtet, Kaiser Heinrich VI., der auf Barbarossa folgte, habe den Markgrafen Dedo aufgefordert, mit ihm nach Italien zu ziehen, um den Erbanspruch über Sizilien durchzusetzen. Dedo habe festgestellt, dass er für die Heeresfolge zu dick sei, und einen Arzt gerufen, der ihm das Bauchfett entfernen sollte. An diesem Eingriff sei er dann gestorben. Diese Nachricht wurde Anfang des 16. Jh. in Georg Spalatins handschriftliche Chronik der Sachsen und Thüringer aufgenommen und ist dort auch im Bild dargestellt. Sie gilt heute als früher Beleg dafür, dass es bereits im Mittelalter Schönheitsoperationen gab. Die Nachricht kann stimmen, denn sie wurde nicht erzählt, um Dedo in ein schlechtes Licht zu rücken und steht nicht im Zusammenhang mit einer unvorteilhaften bildlichen Darstellung des Markgrafen.
Markgraf Heinrich von Meißen begründete die Mark Landsberg in der Mitte des 13. Jh. neu und übertrug sie wiederum an einen nachgeborenen Sohn. Ende des 13. Jh. gelangte Landsberg im Zuge von Kämpfen, die innerhalb der wettinischen Fürstenfamilie und mit dem Königtum ausgetragen wurden, an die askanischen Markgrafen von Brandenburg. Nach deren Aussterben kam sie durch Erbschaft und den Zugriff des Königs an die welfischen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. Die Brandenburger und die Braunschweig-Lüneburger führten um 1300 daher neben den Fürstentiteln, die sie bereits besaßen, auch den Titel eines Markgrafen in Landsberg oder von Landsberg. Es war offenkundig erstrebenswert, die Burg Landsberg und den damit verbundenen Fürstentitel zu besitzen.
In der Mitte des 14. Jh. kauften die Wettiner das Fürstentum zurück und gaben es nicht wieder her, auch wenn es spätestens mit dem Erlangen der sächsischen Kurwürde an Bedeutung verlor. Der Titel »Markgraf von Landsberg« wurde weiterhin geführt.
Standesgemäßer Lebensstil
Dem 13. und 14. Jh. können einige Mauerzüge und die Ecksituation eines Gebäudes zugewiesen werden. Die wenigsten verwendeten Baumaterialien waren auf dem Kapellenberg vorhanden, sie mussten mühsam herangebracht werden. In großen Mengen hat man etwa Kalkstein, Sandstein, Schiefer, Ziegel bzw. Ton zum Brennen derer und Kies benötigt. Eine geplante Herkunftsbestimmung wird Aufschlüsse über die Logistik des Burgenbaus geben. Unter den Funden dieser Zeitspanne befinden sich vorwiegend Fragmente von Koch- und Vorratsgeschirr, die Alltagsleben und tägliche Versorgung auf der Burg widerspiegeln. In die Sphäre der Ökonomie verweisen ein Wägegewicht und ein Fragment einer Balkenklappwaage. Etliche Objekte belegen daneben die adlige Stellung und den gehobenen Lebensstandard der Burgbesatzung: Unter der Keramik ragt ein bemaltes Miniaturgefäß aus weißer Feinware heraus, das dem Weinkonsum diente. Zudem veranschaulicht ein Pferdeaquamanile aus harter grauer Irdenware die gehobenen Umgangsformen bei Tisch auf der Burg. Im Mittelalter war es üblich mit den Fingern zu essen; Messer dienten zum Zerteilen und Aufspießen der Speisen, Gabeln setzten sich als Teil des Tafelbestecks erst im Verlauf des 19. Jh. durch. Eine Neuerung und Verfeinerung der Tischsitten in Europa brachte die Einführung von Handwaschgerät im 12. Jh. mit sich. Zum in der Regel zweiteiligen Ensemble gehörten jeweils ein Gießgefäß in figürlicher Ausformung – ein sogenanntes Aquamanile – und ein Becken zum Auffangen des Wassers. Das vorliegende Stück eines Keramikpferdes war zum Reinigen der Hände im Verlauf eines Mahls zum Vollzug und zur Demonstration eines luxuriösen, höfischen Lebensstils in Gebrauch. Von der Kleidung in prachtvolle Gewänder zeugen wiederum vergoldete Beschläge als Bestandteil von Gürtelgarnituren. Tonmurmeln und Knochenwürfel belegen adeligen Zeitvertreib, während Fragmente von glasierten Pferdchen auf die spielerische Erziehung des ritterlichen Nachwuchses verweisen. Mehrere Wellrandhufeisen geben die Nutzung des Pferdes als schnellstes Verkehrsmittel des Mittelalters zu erkennen. Kostbare Reittiere waren fester Bestandteil ritterlicher Lebensformen und repräsentieren in diesem Sinne ebenfalls die adelig-höfische Lebenswelt. Aufgefundene Hundeknochen sind einerseits mit Schoßhunden, andererseits mit adeliger Jagd in Verbindung zu bringen. Zahlreiche, verstreut auftretende Fragmente von Ofenkacheln zeugen davon, dass die Burg nun mehrere beheizbare Wohnräume besaß, ein Luxus, der im Mittelalter wohlhabenden und hochrangigen Persönlichkeiten vorbehalten war.
Von der Burg zum Wallfahrtsort
Die Aufgabe der Burg ist bislang nicht eindeutig geklärt. Planierschichten aus der Zeit um 1400 zeigen an, dass die meisten Gebäude in dieser Zeit nicht mehr bestanden. Die Kapelle wurde offenbar bewusst erhalten, vielleicht sogar absichtlich als einzeln stehendes Gebäude betont. Da die Kapelle im Jahre 1434 als Wallfahrtsort bezeugt ist, dürfte die Burg bereits im frühen 15. Jh. verfallen gewesen sein. Das legt ein anderes Beispiel nahe: Die Heiligkreuzkapelle der Unterburg Kyffhausen (Thüringen, Gemeinde Kyffhäuserland) diente ab 1433 ebenfalls als Wallfahrtsstätte, nachdem die Reichsburg Anfang des 15. Jh. erstmals als wüst bezeichnet worden war. Auf dem Kapellenberg in Landsberg ist für das 15. Jh. ein Gebäude mit (Malz-)Darre archäologisch nachgewiesen, das möglicherweise zu einer Brauanlage für ein Gasthaus gehörte. Ganz ähnliche Anlagen mit einer dicken Schicht verkohlter Gerste sind jüngst bei archäologischen Grabungen im Erfurter Ursulinenkloster (Thüringen) dokumentiert worden. Von einem auf dem Kapellenberg gelegenen beheizbaren Gebäude geben frühe Blattkacheln des 15. / 16. Jh. Auskunft. Demselben Horizont gehören Scherben von Steinzeug an, die vorher im Fundspektrum quasi nicht vorhanden sind. Sie gehören zu Trinkgeschirr, das sich möglicherweise auf eine Schankwirtschaft zurückführen lässt. Dessen Herkunft konnte typologisch und durch die Ergebnisse einer durchgeführten Neutronenaktivierungsanalyse auf das rheinländische Siegburg, das sächsische Waldenburg und Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt bestimmt werden. Der Zusammenhang von Wallfahrtskapelle und Gasthaus, von der Sorge um das Seelenheil und das leibliche Wohl ist aus dieser Zeit vielfach überliefert. Entweder in die Spätphase der Burg oder in die Hochphase der Wallfahrt gehört ein bemerkenswertes Einlegeplättchen aus Geweih in Form eines gotischen Fensters. Es wurde von Gunther George, einem Mitarbeiter des ehemaligen Landsberger Ortsmuseums, bei Sanierungsarbeiten am südlichen Eingang zur Kapelle gefunden und zierte einst ein aufwendig gearbeitetes Kästchen. Für den obersten Stock des Sakralbaus wurden Überlegungen angestellt, dass es sich um eine Schatzkammer, ähnlich dem Aufbewahrungsort der Reichskleinodien auf der Burg Trifels im Pfälzerwald (Rheinland- Pfalz) handeln könnte. Offenbar verbirgt sich hinter dem Intarsienplättchen eine Schatulle für Kostbarkeiten. Ganz ähnliche Stücke konnten in der Schatzkammer des Papstpalastes in Avignon (Frankreich) ausgegraben werden. Das Miniatur-Maßwerkfenster aus Geweih deutet außerdem auf ein hausförmiges Kästchen. Solche Kästchen dienten regelmäßig als Behälter von Körperteilen und Gegenständen kultisch- religiöser Verehrung. Denkbar ist ein Schrein, der eine der von den Pilgern verehrten Reliquien der Wallfahrtskapelle beinhaltete. Im Jahr 1518 wurde hier vier Mal die Woche Messe gehalten. Eine geistliche Pfründe an dieser Kapelle war 1539 im Besitz des letzten katholischen Pfarrers der Kreuzkirche in Dresden.
Im weiteren Verlauf der Frühen Neuzeit wurde das Vorfeld der Burg als Steinbruch genutzt. Typisches Fundgut dieser Zeit wie Gefäße aus helltoniger Irdenware. Steinzeug sowie malhornverziertes Geschirr sind lediglich mit gut einer Handvoll Fragmenten vertreten, was darauf hinweist, dass nur noch wenige Aktivitäten auf dem Kapellenberg stattgefunden haben.
Eine Wiederbelebung erfuhr der Kapellenberg um 1800 und zwar als ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Studenten aus Halle und Leipzig, von denen einige ihre Namen an den Wänden und Säulen in der Kapelle hinterließen.
Raubgräber, Landdragoner, Archäologen
Aus dem Jahre 1789 ist folgende Begebenheit überliefert: Sieben Studenten aus Halle sitzen in einem Gasthaus im nahegelegenen Hohenthurm, einem Ort, der damals an der Grenze zwischen Preußen und Sachsen liegt. Sie kommen auf die Kapelle im nahen Landsberg zu sprechen, denn wenige Jahre zuvor war in Leipzig ein Roman erschienen, in dem die Legende aufgegriffen war, es gäbe unter der Kapelle verborgene Gewölbe, in denen silberne Särge stünden. Lange unterirdische Gänge würden zum Petersberg und nach Brehna ins Kloster führen. Die Studenten beschließen, der Sache sofort nachzugehen. In Begleitung ihres Gastwirts steigen sie mit Werkzeug und Laternen durch ein zerbrochenes Fenster in die Kapelle ein und beginnen, die Bodenplatten herauszureißen. Sie finden aber nichts. Schließlich kommen zwei Landdragoner vorbei, die das Licht in der Kapelle gesehen haben, nehmen die Eindringlinge fest und bringen sie nach Delitzsch, wo sie einen Monat in Haft verbringen müssen. Die Anwesenheit von Militär auf dem Kapellenberg im 19. Jh. ist übrigens durch einen kleinen sförmigen Haken in Form und Verzierung einer Schlange belegt, der zu einer Löwenkopfschließe eines westeuropäischen Wehrgehänges gehört. Derartige Gürtel finden sich an kurzen Uniformjacken und hängen locker um die Hüften.
Dreißig Jahre nach der wilden Aktion der Studenten, Landsberg gehörte inzwischen zum Königreich Preußen, stellte der Landrat von Delitzsch bei der Regierung in Merseburg einen förmlichen Antrag, im Inneren der Kapelle graben zu dürfen. Aber auch er vermisste die erwarteten Schätze und stieß nach eigenem Bekunden nur auf den anstehenden Fels.
Die Erwartungen, bei Bodeneingriffen auf sensationelle Funde und Befunde zu treffen, sind seither entschieden gedämpft. Da nun rund um die Kapelle überall der Porphyr durch die Grasnarbe blitzt, das Gelände bei Umgestaltungsmaßnahmen vielfach überprägt wurde und Mauern nur noch an der Front zum Steinbruch sichtbar waren, bestand vielfach sogar die Auffassung, dass grundsätzlich mit einem nahezu kompletten Verlust der archäologischen Substanz zu rechnen sei. Bereits die bisherigen wenigen kleinen Schnitte von insgesamt rund 100 m2 nördlich und nordöstlich der Kapelle bezeugen das glatte Gegenteil. Nur wenige Zentimeter unter einer modernen Planierschicht haben sich zahlreiche Schichten, Gruben und Mauern mit ihren stratigrafischen Bezügen erhalten, die ein einmaliges kulturgeschichtliches Archiv im Boden darstellen. Neben dem wissenschaftlichen Aussagepotenzial eignet sich das Areal hervorragend zur Ausbildung von Studierenden, die sich einerseits in herkömmlichen Dokumentationsverfahren wie dem Anlegen von archäologischen Schnitten, dem Freilegen und Putzen, dem Zeichnen und Beschreiben von Kulturgut sowie der Bestimmung von Fundmaterial üben, anderseits bei der Anwendung und Entwicklung modernster Techniken im Bereich der 3D-Dokumentation und Materialanalytik mitwirken können.
Die archäologischen Hinterlassenschaften, die während der laufenden Untersuchungen zutage kamen, bestätigen die Bedeutung des Ortes. Daneben veranschaulichen sie verschiedene Facetten des Lebens auf der Burg, das sich durch die wenigen überlieferten Schriftquellen allein nicht fassen ließe. Die gute Erhaltung der Befunde unter der heutigen Oberfläche lässt zudem erwarten, dass eine flächige Ausgrabung tiefe Einblicke in die baulichen Grundstrukturen und zugleich die Einbindung der Doppelkapelle in ihr einstiges architektonisches Umfeld, insgesamt also ein besseres Verständnis der gesamten Anlage ermöglichen wird. Ein in Kürze anstehender Schritt zur Visualisierung wird in der dreidimensionalen Aufnahme der Kapelle samt ihres Umfeldes bestehen. Es soll ein Modell entworfen werden, von dem ausgehend die Burg auf wissenschaftlicher Grundlage digital wieder zum Leben erweckt wird.