Zu dir rufe ich, HERR; denn Feuer hat das Gras der Steppe gefressen, die Flammen haben alle Bäume auf dem Feld verbrannt. Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir; denn die Bäche sind vertrocknet.
(Joel 1,19-20)
Schlimmer kann es nicht kommen. Überschwemmungen raubten vielen Menschen in den vergangenen Jahren ihre Existenzgrundlage. Sturmtief „Boris“ verursachte schwere Zerstörungen und kostete unzählige Menschenleben. 2023 gilt bei Klimaforschern als „rekordverdächtiges Jahr“ mit den heftigsten Waldbrandperioden in Europa. In Amerika und anderen Ländern starben Menschen durch das Feuer. Und natürlich gab es – wie meistens – Kommentare im Internet, die eine Begründung für all das Leid lieferten: „Die Bösen werden durch das Feuer bestraft“, schreibt ein User, der sogar Cyprian von Karthago zitiert, der einst gewarnt hat:
„Die Verdammten werden ewig in der Hölle brennen!“
In Jerusalem, zur Zeit des Propheten Joel, also im 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus, muss etwas Ähnliches passiert sein. Auch hier ist von Feuer die Rede, das die Steppe und alle Bäume auf dem Feld vernichtete.
Mensch und Tier litten unter der Katastrophe. An allen Ecken und Enden fehlte es an frischem Wasser, da sämtliche Bäche vertrocknet waren.
Auch damals glaubten einige, dass es sich um eine Strafe Gottes handelte. Ihre Vorstellung: Wer Gottes Gebote nicht befolgt, dem drohen Leid und Vernichtung. Joel erinnerte in dieser Situation an Gottes Gericht, das wie eine Heuschreckenplage hereinbricht. Um das Schlimmste zu verhindern, sind Umkehr und Buße gefordert.
Es ist richtig, im Blick auf Klimakatastrophen und Ausbeutung der Natur zur Umkehr aufzurufen. Der Mensch ist schon in der Schöpfungsgeschichte dazu aufgerufen, alles Geschaffene in Gottes Sinn zu verwalten und zu versorgen. Aber laut Joel ist er mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen. Der Prophet kündigt einen „Tag des Herrn“ an, die Zeit der Rettung. Gott wird seinen Geist ausgießen, um die Gesellschaft von ihrer Geistlosigkeit zu befreien. Und Joel gibt drei Hinweise, wie beGEISTertes Handeln im Sinn Gottes aussieht.
An erster Stelle betont der Prophet: Wer von Gottes Geist erfüllt ist, wagt zu träumen. In Träumen eröffnen sich Wege, die man zuvor noch gar nicht im Blick hatte. Träumen heißt die Fantasie zu Wort kommen lassen.
Träume können zu Zielen werden, die unserem Handeln eine Richtung geben. Und es stimmt doch: Eine Gesellschaft und auch die Kirche erkrankt, wenn sie keine Träume hat und keine Ideen für die Zukunft entwickelt. Der Philosoph Ernst Bloch sprach einst vom „Vorwärtsträumen“, von Vorwegnahme des Ausstehenden und mahnte: „Es kommt darauf an, wieder das Hoffen zu lernen!“
Als Zweites erinnert Joel an die „Weissagungen“ der Bibel, an die Worte der Propheten, die immer wieder Gottes Barmherzigkeit und Liebe in den Mittelpunkt stellen. Gott will die Menschen retten und nicht vernichten, mit seinem Geist, der auch mit „Leben“ oder „Mut“ übersetzt werden kann. Luther hat es im Kleinen Katechismus so ausgelegt: Den Geist wirken zu lassen, heißt: Gott Herr sein zu lassen. Die Kraft zu Umkehr und Buße kommt nicht aus mir selbst.
Der dritte Hinweis lautet: Nimm die Gegenwart Gottes wahr – im Hier und Jetzt. Gott ist jederzeit in Kommunikation mit dir, du musst nur hören und dich auf seine Gegenwart einlassen. Das kann im Lesen der Bibel geschehen oder im Gebet, auf jeden Fall in der Ruhe und Stille, in der täglichen Meditation. Joel erinnert uns daran, dass sich Gott zeigt, in Träumen, Ahnungen, Visionen, und das in einer Sprache, die gerade dich anspricht.
Natürlich ist nicht jeder Traum gleich Wort Gottes, aber er führt mich näher zu meiner Innenseite, zu Verletzungen, aber auch Kraftquellen.
Nicht jede Fantasie ist unmittelbare Vision Gottes, aber sie kann Elemente einer Zukunftsperspektive enthalten. Deshalb übe dich, immer wieder ein Gespür für Gott zu entwickeln, um in deinem Seelengrund berührt zu werden und Hoffnungen zu erwecken. Dann werden aus leblosem Wüstengras und vertrockneten Bächen Landschaften, die Leben lebenswert machen. Schöner kann es nicht kommen.