Corona-NostalgieGeheime Gedanken einer Kitaleitung

Geheime Gedanken einer Kita-Leitung: Die Zaubertür
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Können Sie sich noch erinnern, was Sie vor drei Jahren getan haben? Damals hatte ich an dieser Stelle schon einmal über den Ausnahmezustand in unserer Kita sinniert und erinnere mich noch recht genau. Zuerst hatte unsere Kita komplett geschlossen und wir waren verdonnert, Däumchen zu drehen. Der Träger hatte uns angewiesen, trotzdem zum Dienst zu erscheinen.

Nach zwei Wochen ohne Kinder war unsere Konzeption auf dem neuesten Stand. Außerdem war die Kita blitzblank, die Bauklötzchen sahen aus wie funkelnagelneu, die Ordner waren auf Vordermann, die Gesellschaftsspiele repariert und fein säuberlich geordnet, die Küchenschränke gewienert und penibel sortiert. Irgendwann ließ sich die Zeit beim besten Willen nicht mehr mit Aufräumen oder Putzen rumkriegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnten wir dann zumindest eine Notgruppe öffnen, die aber nur spärlich besucht war. Im Nachhinein ein Traum! Bei einer märchenhaften Fachkraft-Kind-Relation von zehn Erzieherinnen auf zwei Kinder fühlten sich diese wohl irgendwann „gestalkt“. Man denke nur an die Geschichte im Sandkasten. Die Kolleginnen hatten sich voll ins Zeug gelegt, welche von ihnen die schönste, höchste oder verrückteste Burg baut. Irgendwann waren sie so in ihr Tun vertieft, dass sie gar nicht merkten, dass sich ihr gemeinsam betreutes Kind heimlich in die Bauecke davongemacht hatte, um ungestört einen Turm zu bauen.

Wenn ich daran denke, wie wir uns sehnlichst die Kinder zurückwünschten … Drei Jahre ist das nun her und im Rückblick muss ich sagen: Eigentlich war es doch eine schöne Zeit. Nur damals habe ich das noch nicht so gesehen. Hätte ich doch bloß! Aber man wünscht sich ja bekanntlich immer, was man nicht hat, und ist fast nie zufrieden. Hätte ich die Zeit doch nur besser genutzt … Mit interessanten Fortbildungen zum Beispiel, die wegen Corona online angeboten wurden. Auch die wunderbare Stille bei uns in der Kita hätte ich bestimmt auch etwas ausgiebiger genießen dürfen.

2023. Ich sitze hier und finde kaum Zeit, diese Zeilen zu schreiben. Zwei Kolleginnen sind erkrankt und wir sind mal wieder gnadenlos unterbesetzt … Wo war ich stehen geblieben? Ich bin etwas unkonzentriert. Gerade musste ich Mahmud wickeln, weil meine Kollegin einen Konflikt zwischen älteren Kindern zu schlichten hatte. Sie ist allein mit 24 Kindern. „Lilly, was machst du im Büro?“ „Wie, die Karin ist nicht da?“ „Wein’ doch nicht, wir gehen Karin suchen!“ „Ah, da ist sie ja!“ Meine Kollegin sitzt inmitten von Kindern am Frühstückstisch. „Frau Mönter“, rufen sie, als ich die Gruppe betrete. Sie wirken wie ausgehungert und begierig nach Erzieherinnen, die mit ihnen spielen. Aber ich muss doch noch den Text zu Ende schreiben. „Peter, ich kann jetzt nicht mit euch spielen.“ Das Telefon klingelt: „Nein, ich brauche keine Bastelpappen im Hunderterpack besonders günstig!“ „Lilly, was machst du schon wieder hier?“, „Frau Reilmann, wir haben heute 63 Kinder zum Mittagessen.“ Es klingelt – Herr Müller vom Gesundheitsamt. Hatte ich eigentlich schon die Kühlschranktemperatur gemessen? „Ich soll dich wickeln, Lilly? Die Karin kann nicht?“, „Moment Herr Müller, ich stehe Ihnen gleich zur Verfügung“, „Kinder, nicht im Waschraum spielen!“, „Ich muss die Lilly wickeln.“ Zum Glück hat sich unsere Köchin Frau Reilmann des Herrn Müller angenommen. Frisch gewickelt flitzt Lilly in den Snoezelen-Raum. „Entschuldigen Sie, Herr Müller, aber wir sind unterbesetzt. Alles in Ordnung in der Küche?“, „Karin, du siehst so blass aus. Geht es dir nicht gut?“ Oh nein, morgen muss ich eine Notgruppe öffnen. „Lilly, was ist jetzt los? Schon wieder Windeln wechseln? Ich glaube, du hast Durchfall. Ich rufe gleich deine Mutter an, damit sie dich abholt.“, „Frau Reilmann, wir haben doch nur 62 Kinder zum Mittagessen.“ Und Karin geht gleich nach Hause …

In einer ruhigen Minute lasse ich mich auf eine Garderobenbank sinken und denke so bei mir: Was gäbe ich nur für ein paar Augenblicke in einer Notgruppe wie 2020? 

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