Um die Beziehung zwischen der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten und Präsident Donald Trump zu Beginn seiner zweiten Amtszeit zu beurteilen, müssen zwei zentrale Aspekte berücksichtigt werden: einerseits die Komplexität der Institution Kirche in den USA und andererseits die Einmaligkeit, in der sich die Lehren der Kirche mit den politischen Prioritäten der Trump-Regierung überschneiden.
Zunächst: Was genau meinen wir, wenn wir von „der Kirche“ und ihrer Beziehung zu Trump sprechen? Meinen wir das „Volk Gottes“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil definierte? Dann kann der US-Katholizismus als entschiedener Befürworter von Trump angesehen werden, der vermutlich auch mit dessen Programm im Ganzen durchaus einverstanden ist. 2024 haben 59 Prozent der US-Katholiken für Trump gestimmt. Diese Mehrheit kann gerade im tief gespaltenen Kontext der amerikanischen Politik als klarer Ausdruck der Unterstützung gelten. Der Prozentsatz übertrifft die 50 Prozent der Katholiken, die 2016 für Trump gestimmt haben, und er zeigt eine noch deutlichere Steigerung gegenüber den 47 Prozent, die 2020 für Trump gestimmt haben, als er sich zur Wiederwahl gegen Joe Biden stellte. Biden wurde dann bekanntlich der zweite katholische US-Präsident der Geschichte.
Auf der Ebene des lokalen katholischen Klerus gab es indes bereits kurz nach Trumps Amtsantritt eine ganze Reihe von Fällen, in denen einzelne Pfarreien und Diözesen öffentlich gegen die Politik des Präsidenten protestierten, insbesondere gegen sein Versprechen einer Massenabschiebung von Migranten ohne Papiere. Priester des Erzbistums Chicago zum Beispiel meldeten sich zu Wort, als es Hinweise darauf gab, dass ihr Chicago der erste Ort für Massenverhaftungen und Abschiebungen sein würde.
Katholische Bischöfe versus katholische Politiker?
In einem eigens anberaumten Gottesdienst, der aus Solidarität mit den Migranten vor Ort abgehalten wurde, predigte Pater Larry Dowling, dass „es wirklich wichtig ist, die Menschen wissen zu lassen, dass wir da sein werden, wo immer wir können, um sie zu unterstützen“. Seine Ankündigung stand im Einklang mit den Worten des Erzbischofs von Chicago, Kardinal Blase Cupich, der erklärte, er fühle sich „tief verletzt“ von den „zutiefst beunruhigenden“ Berichten über bevorstehende Abschiebungen aus Chicago und dass „die katholische Gemeinschaft an der Seite der Menschen in Chicago steht, wenn es darum geht, die Rechte von Einwanderern und Asylsuchenden zu verteidigen.“
Eine Ende 2023 durchgeführte Meinungsumfrage bestätigt eine tiefe Spaltung innerhalb der Kirche in Bezug auf Trumps Versprechen, hart gegen Migranten ohne Papiere vorzugehen. Denn die Ansichten der befragten Katholiken gehen weit auseinander in der Frage, ob die USA Asylsuchende aus Mittelamerika aufnehmen und Trumps berühmte Mauer an der mexikanischen Grenze fertigstellen sollten, sie teilen sich in genau zwei Hälften. Noch offensichtlicher zeigt sich die Kluft zwischen dem von Priestern und Gemeindemitgliedern in Chicago versprochenen Widerstand gegen Trump und der Präsenz so vieler Katholiken in hochrangigen politischen Positionen in der neuen Trump-Administration, bis hin zu Vizepräsident J. D. Vance.
In der Tat nahm Vance bereits direkten Bezug auf diese Spaltung: Er zeigte sich als praktizierender Katholik „untröstlich“, als er erfuhr, dass katholische Würdenträger die Ablehnung der legalen Abtreibung ausdrücklich mit der Unterstützung von Migranten verknüpften. Die Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten (USCCB) stellte fest, dass „die Fürsorge für Einwanderer, Flüchtlinge und Arme Teil derselben Lehre der Kirche ist, die von uns verlangt, die Schwächsten unter uns zu schützen, insbesondere ungeborene Kinder, ältere und gebrechliche Menschen“.
Die Bischofskonferenz kündigte an, dass sie alle migrationsbezogenen Durchführungsbestimmungen von Präsident Trump unter diesem Gesichtspunkt „sorgfältig prüfen“ würde. Vizepräsident Vance seinerseits bezeichnete die langjährige Unterstützung der Bischöfe für Migranten als zynisches Manöver. Ihre Unterstützung hänge mit den Geldern zusammen, die die Kirche für ihre Rolle bei der Umsiedlung von in die Vereinigten Staaten Geflüchteten erhalte: „Sind (die Bischöfe) besorgt über humanitäre Belange?“, fragte Vance. „Oder geht es ihnen in Wirklichkeit um ihren Profit?“
Schnittmenge katholischer und republikanischer Forderungen
Das Hin und Her zwischen Vizepräsident Vance und der Bischofskonferenz spiegelt überdeutlich die komplexe Dynamik wider, die die politische Rolle der katholischen Hierarchie in den USA seit Jahrzehnten bestimmt und herausfordert. Fakt ist: Eine politische Agenda, die auf der katholischen Soziallehre basiert, überschneidet sich grundlegend mit zentralen parteipolitischen Wahlkampagnen. Die Bischöfe stimmen mit der Republikanischen Partei in Fragen zu Abtreibung, LGBTQ-Rechten und öffentlicher Unterstützung für kirchliche Bildung überein.
Gleichzeitig aber lehnen die Bischöfe eine lange Liste weiterer Themen der Republikaner ab – und stimmen dementsprechend darin zumindest im Prinzip mit den Demokraten überein. Dazu gehören wirtschaftliche Gerechtigkeit, Arbeitnehmerrechte, Bewahrung der Schöpfung (Klimawandel!) und, aktuell besonders umstritten, die humane Behandlung von Migranten und Flüchtlingen.
Seit dem Urteil zum US-Abtreibungsrecht 1973, das in der Rechtssache „Roe versus Wade“ das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung einräumte, muss die US-Kirchenhierarchie mit diesen Überschneidungen umgehen. Sie muss immer wieder entscheiden, wie sie ihre Lehren formulieren und ihre Prioritäten innerhalb eines politischen Systems setzen soll, in dem keine der großen politischen Parteien – und kein Kandidat für ein nationales Wahlamt – jemals mit ihr in allen Fragen übereinstimmt, mit denen das Land konfrontiert ist. Es gibt keine „katholische Partei“ in den USA. So mussten die Bischöfe – sowohl kollektiv als auch individuell – auf ihren Kanzeln genauso wie die katholischen Wähler allein in der Wahlkabine entscheiden, welche Lehren sie in einem Kontext betonen wollten, in dem eine umfassende Übereinstimmung mit Parteien und Kandidaten buchstäblich undenkbar ist.
In einem wesentlichen Punkt trifft dies nur bedingt zu. Die katholischen Wähler mussten zwischen Kandidaten und Parteien wählen, deren Ansichten jeweils nur teilweise mit der katholischen Lehre übereinstimmen. Aber die Bischöfe hätten sich, zumindest in ihrer öffentlichen, kollektiven Rolle, einer solchen Prioritätensetzung widersetzen und sich weigern können, an der Schnittstelle zwischen Lehre und Politik sich in die eine oder andere Richtung zu bewegen.
Genau das hatte Kardinal Joseph Bernardin in den Achtzigerjahren im Sinn, als er von einem „nahtlosen Gewand“ oder einer „konsequenten Ethik des Lebens“ sprach. Darin sollte die Abtreibungsfrage in ein breiteres Spektrum von Pro-Life-Verpflichtungen eingebettet werden, einschließlich der Ablehnung von Atomwaffen und der Todesstrafe sowie der Unterstützung von Programmen, die die Würde der Armen achten und deren wirtschaftlichen Umstände verbessern sollten.
Das breite Spektrum an Lebensfragen bleibt außen vor
Dieser Ansatz einschließlich Bernardins Wortwahl blieben über die Jahrzehnte hinweg erhalten; sie lassen sich in der Rhetorik des Klerus in Chicago für Migrantan wiederfinden. Aber niemand, der die politische Rolle der katholischen Hierarchie aufmerksam verfolgt, könnte ernsthaft behaupten, dass dieser unparteiische Ansatz kollektive Stellungnahmen der Bischöfe über die Umsetzung der katholischen Lehre in der US-Politik geprägt hat. Die Abtreibung steht stets an erster Stelle, sowohl alphabetisch als auch in der Prioritätensetzung.
Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten von Gerald Ford 1976 bis Donald Trump 2024, in der Ära nach „Roe versus Wade“, haben, ob katholisch oder nicht, von der öffentlichen Wahrnehmung profitiert: Der Schulterschluss der Republikaner und der Bischofskonferenz in der Abtreibungsfrage sowohl in praktischer als auch in politischer Hinsicht übertrifft die lange Liste anderer zentraler Fragen des amerikanischen Lebens, in denen die republikanischen Kandidaten und die Bischöfe nicht einer Meinung waren.
Stets aufs Neue wurde die Botschaft vermittelt, dass die Ablehnung von Abtreibung für die katholische Lehre von grundlegender Bedeutung sei. Daher entspreche die Anwendung dieser Lehre auf die Politik durch die Kriminalisierung der Abtreibung einer nicht verhandelbaren Erwartung an die gewählten Vertreter, insbesondere an diejenigen, die sich als römisch-katholisch bezeichneten.
In anderen Fragen dagegen ließen die Bischöfe durchaus Raum für unterschiedliche „Klugheitsurteile“ (prudential judgements) darüber, wie die Lehre konkret angewandt werden könne. Man könne zum Beispiel akzeptieren, dass alles unschuldige Leben geschützt werden müsse, und zugleich davon ausgehen, dass zur Todesstrafe Verurteilte alles andere als „unschuldig“ seien. Man könne sich darauf einigen, dass die Wirtschaftspolitik die Würde aller Mitglieder der Gesellschaft fördern muss, aber diese grundsätzliche Einigung lässt Raum für erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Steuersysteme und welche Sozialprogramme dieses lobenswerte Ziel langfristig am ehesten erreichen.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen trat ein Kandidat an, den Papst Franziskus wegen seiner Ansichten zu den Rechten von Migranten und Flüchtlingen als „nicht christlich“ charakterisierte. Noch im Vorfeld der Wahlen erklärte die Bischofskonferenz dennoch, dass „die Bedrohung durch die Abtreibung“ in ihren Empfehlungen an katholische Wähler „die oberste Priorität“ bleiben würde, während diese Wähler noch unschlüssig waren, ob sie Donald Trump oder Joe Biden (und später Kamala Harris) unterstützen sollten.
Diese Empfehlung entsprach einer lang andauernden Praxis. Sie spiegelt eine Weltanschauung wider, die den Vorsitzenden der Bischofskonferenz dazu veranlasste, im Jahr 2021 den zweiten katholischen Präsidenten im Weißen Haus willkommen zu heißen, indem er die „oberste Priorität der Abtreibung“ für die Bischöfe bekräftigte. Er geißelte Präsident Biden namentlich für dessen Unterstützung eines „moralischen Übels“, das „das menschliche Leben und die Würde“ wie kein anderes Thema bedrohe.
2022 kippte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten das Urteil „Roe versus Wade“ und hob das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch auf. Es ist möglich, dass in dem dadurch veränderten Kontext die Abwägung politischer Fragen schwieriger aufrechtzuerhalten sein wird. Der Kampf um den legalen Schwangerschaftsabbruch ist noch lange nicht beendet. Aber derzeit wird er eher in den einzelnen Bundesstaaten ausgetragen, in denen „Pro-Life“- und „Pro-Choice“-Kräfte um Gesetze, Verfassungen und den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch kämpfen, und zwar von Bundesstaat zu Bundesstaat und von Fall zu Fall. Gleichzeitig sieht sich die katholische Hierarchie mit einem Präsidenten Trump konfrontiert, dessen politische Agenda der katholischen Lehre in so vielen anderen Fragen eklatant widerspricht. Sie könnte endlich gezwungen sein, sich auch zu anderen Themen als der Abtreibung energischer zu äußern.
Papst Franziskus fordert nun mit wachsender Deutlichkeit die US-Bischöfe genau dazu auf. Bereits die Abschiebungspläne von Präsident Trump gegenüber Migranten und Flüchtlingen hatte er als „schändlich“ bezeichnet. Anfang Januar ernannte er Kardinal Robert McElroy zum neuen Erzbischof von Washington D.C. In seiner vorherigen Funktion als Erzbischof von San Diego, Kalifornien, hatte Kardinal McElroy Trumps Migrationspolitik als „Schandfleck (auf) unserer nationalen Ehre“ bezeichnet; in seiner ersten Pressekonferenz als Bischof in der Hauptstadt bezeichnete McElroy Pläne für Massenabschiebungen als „unvereinbar mit der katholischen Lehre“. Mitte Januar teilte der Vatikan die Ernennung von Edward Joseph Weisenburger, bislang Bischof von Tucson, zum Erzbischof von Detroit mit. Bischof Weisenburger hatte sich bereits in Trumps erster Amtszeit für Geflüchtete eingesetzt und bekräftigte bei seiner Ernennung zum Erzbischof, dass „wir in den Migranten Christus sehen müssen“.
Zudem verfasste der Papst am 10. Januar in aller Deutlichkeit einen Brief an die US-Bischöfe. Ein recht gebildetes Gewissen komme nicht umhin, alle Maßnahmen abzulehnen, die stillschweigend oder ausdrücklich den illegalen Status von Migranten mit Kriminalität gleichsetzen: „Das wahre Gemeinwohl wird gefördert, wenn Gesellschaft und Regierung kreativ und unter strikter Achtung der Rechte aller (...) die Schwächsten, Schutzlosesten und Verwundbarsten willkommen heißen, schützen, fördern und integrieren.“
Ungeachtet dieser päpstlichen Interventionen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die US-Bischöfe unter der zweiten Trump-Regierung davon abrücken, die Abtreibung als „oberste Priorität“ zu betonen. Die Auffassungen der Bischöfe und die daraus abgeleiteten politischen Schwerpunkte sind wahrscheinlich zu fest betoniert, als dass sich in dieser Hinsicht tatsächlich etwas verändern könnte.
Andererseits ist eine Änderung der Tonlage und der Schwerpunktsetzung heute vielleicht doch so wahrscheinlich wie lange nicht mehr. Die Bischöfe sind, wie alle Katholiken in den USA, mit der Rückkehr eines Präsidenten an die Macht konfrontiert, der den Klimawandel als „Schwindel“ abtut, der von Amerikas Feinden verbreitet werde; der die Hinrichtung einer langen Liste von Kriminellen für eine lange Liste von Vergehen fordert; und der, was am dramatischsten ist, verspricht, die US-Grenzen für alle Flüchtlinge zu schließen und Millionen von Migranten ungeachtet ihrer Aufenthaltsdauer im Land oder ihrer familiären Bindungen zu US-Bürgern auszuweisen.
Wer weiß? Vielleicht sind zumindest einige katholische Bischöfe offen für eine Neuformulierung ihrer politischen Prioritäten in diesem für Katholiken besonders herausfordernden politischen Kontext. Vielleicht werden sich einige Bischöfe dazu entschließen, sich auf die zahlreichen aggressiven Absagen an die katholische Lehre durch Präsident Trump zu konzentrieren und nicht auf sein vages Versprechen, Abtreibungen immer schwieriger zu machen. Dies sind sicherlich provokante Möglichkeiten. Aber wie lautet das Schlüsselwort, das man in diesem Zusammenhang im Auge behalten sollte? Mit Sicherheit: „vielleicht“.