Die katholische Kirche in der jungen BundesrepublikGrenzüberschreitend

Die Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich mit einer Zeit, in der für Deutschland entscheidende Weichenstellungen erfolgt sind. Akteure waren die junge Bundesrepublik mit ihrem Bundeskanzler Konrad Adenauer und der Heilige Stuhl unter Pius XII., einem Papst, der Deutschland besonders nahestand. Die Autoren konnten auf die seit 2021 zugänglichen Archivmaterialien aus dem Pontifikat von Pius XII. zurückgreifen und fördern Interessantes aus der politischen und kirchlichen Geschichte der Nachkriegsjahrzehnte zutage, die vom Kalten Krieg geprägt waren.

Das betrifft etwa die Rolle des Bischofs Aloysius Muench, der ab 1946 die „Päpstliche Mission“ in Kronberg (Taunus) leitete und 1951 zum ersten Apostolischen Nuntius im Nachkriegsdeutschland ernannt wurde. Francesco Tacchi zitiert die Einschätzung Muenchs, die neu gegründete interkonfessionelle CDU bringe „zu viele Kompromisse mit den Protestanten“ mit sich. Maddalena Alvi und Herausgeber Simon Unger zeichnen die Reaktionen des Vatikans auf die „Stalin-Note“ von 1952 nach, die eine Wiedervereinigung Deutschlands unter der Bedingung einer künftigen Neutralität in Aussicht stellte. Damals gab es einen engen Schulterschluss von Pius XII. und Adenauer bei dessen Ablehnung des sowjetischen Vorstoßes. In einem vatikanischen Text über die Position Adenauers wurde festgehalten, ein neutrales Deutschland würde zur „Zerstörung der katholischen Kirche in Europa“ führen. Stefan Samerski resümiert in einem Beitrag über Pius XII., das politische Deutschland und den Korea-Krieg, Pius XII. und Adenauer hätten „weitgehend dieselbe Außen- und Sicherheitspolitik“ verfolgt. Aufschlussreich ist auch der Text von Josef Christian Schmitt und Florian Bock über den einflussreichen ersten Leiter des Bonner „Katholischen Büros“, Prälat Wilhelm Böhler. Dieser habe eine Funktion ausgeübt, „die es innerhalb der katholischen Kirche in keinem anderen Land gab“.

Der Band verdeutlicht, wie sehr sich die Dinge seit den Fünfziger- und Sechzigerjahren im kirchlichen Bereich, aber auch in den christdemokratischen Parteien in Deutschland gewandelt haben. Manches liest sich wie Berichte über ein fernes Land. Das kann heilsam sein. Der Band liefert hilfreiche Denkanstöße. Ulrich Ruh

Anzeige: Menschenrechte nach der Zeitenwende. Gründe für mehr Selbstbewusstsein. Von Heiner Bielefeldt und Daniel Bogner
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Simon Unger (Hg.)

Aschendorff Verlag, Münster 2025, 237 S., 45,00 € (D)