Islamischer ReligionsunterrichtEs braucht mehr als nur Experimente

Lehrerverbände haben jüngst die flächendeckende Einführung von islamischem Religionsunterricht gefordert. Trotz aller Schwierigkeiten sollte man, wo möglich, an die die Umsetzung gehen.

Portrtät Stefan Orth, Chefredakteur der Herder Korrespondenz
Stefan Orth, Chefredakteur der Herder Korrespondenz

Die gesellschaftlichen Diskussionen über den Islam sind zuletzt ruhiger verlaufen; die muslimischen Dachverbände sind angesichts des nur in Teilen gerechtfertigten Gegenwinds öffentlich kaum noch zu vernehmen. Dabei sind die aufgeworfenen Themen der vergangenen beiden Jahrzehnte noch längst nicht abschließend bearbeitet, die Probleme noch nicht gelöst. Dazu gehört das vom Grundgesetz verbriefte Recht muslimischer Schülerinnen und Schüler auf Religionsunterricht. Lehrerverbände, konkret der Deutsche Lehrerverband und der Verband für Erziehung und Bildung, haben jüngst wieder zur Fundamentalismus-Prophylaxe dessen flächendeckende Einführung gefordert.

Sie haben recht. Es gibt zwar gleich eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, wie etwa die Problematik der Ansprechpartner für den Staat, die zusammen mit ihm diesen Religionsunterricht verantworten. In Baden-Württemberg gibt es das pragmatische Konstrukt einer Stiftung, das durchaus religionsrechtliche Frage aufwirft. Als Provisorium funktioniert die Lösung aber durchaus und auch in anderen Bundesländern geht man ähnlich vor.

Die Notwendigkeit, hier jetzt rasch tätig zu werden, ist nicht in allen Regionen Deutschlands gleichermaßen gegeben. Aber Fakt ist, dass in Deutschland nach überzeugenden Schätzungen insgesamt mehr als fünf Millionen Muslime leben. Deshalb braucht es dringend mehr Angebote als bisher, die oft nicht über den Status als Experiment hinausgekommen sind.

Auch gelegentliche Kritik an den vorhandenen Religionslehrerinnen und -lehrer sollte eher Ansporn als Bremse sein: Denn wo der Staat über seine Ausbildungseinrichtungen in die Qualifizierung des Personals investiert, wird sich das Mindset der in Deutschland lebenden Muslime verändern. An islamischen Zentren der Universitätsstandorte muslimischer Theologie sind bereits viele sprachfähige, intellektuell gut gerüstete und von den Vorteilen des hiesigen Systems überzeugte Theologinnen und Theologen ausgebildet worden. Dass es dennoch vielerorts an Nachwuchs fehlt, liegt auch an den bisher unsicheren Berufsperspektiven.

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