Römisch-katholisch und Römisch-ökumenischChristentum in Rom

Die Stadt Rom ist Zentrum der römisch-katholischen Weltkirche, aber zugleich auch Zentrum einer breiten christlichen Ökumene. Denn das Römische gehört zur DNA des Christentums.

Apsismosaik der evangelischen Christuskirche in Rom
Innenansicht der evangelischen Christuskirche in Rom© Enrico Fontolan/Bibliotheca Hertziana/Inv. bhim 0041135

Was genau sagt man eigentlich, wenn man "römisch-katholisch" sagt? Ist "römisch" dann eine Spezifikation von "katholisch"? Bezeichnet es also eine Untergruppe des Katholischen? In gewisser Weise ist das so – wenn man etwa an eine Junktur wie griechisch-katholisch oder syrisch-katholisch denkt (also: Katholiken, die nicht den römischen = lateinischen Ritus verwenden, sondern den griechischen oder syrischen). Dann wären römische Katholiken solche, die den römischen Ritus verwenden.

In gewisser Weise ist es aber auch gerade umgekehrt, denn es gibt in Rom nicht nur römisch-katholische, sondern auch römisch-lutherische, römisch-reformierte und manch andere Christen. Tatsächlich drückt ja "römisch-katholisch" nicht nur einen spezifischen Ritus aus, sondern es steht ganz allgemein für einen Rom-Bezug des Christentums, der nicht nur eine Konfessionskirche betrifft. Der vielleicht wichtigste Brief des Neuen Testaments ist bereits an die römischen Christen gerichtet, und die uralte Tradition der Apostel Petrus und Paulus in Rom zeigt: Die damalige Hauptstadt der Welt spielte früh eine große Rolle bei der Gestaltwerdung von Christentum und Kirche.

Es gehört zu den unglücklichen Folgen der Reformation, dass das römische Erbe in der Folge strikt konfessionell vereinnahmt wurde. Im gelehrten Leben wie in der gelebten Frömmigkeit entwickelten sich konfessionelle Formen und Muster, etwa die Neu-Erschließung der Katakomben oder die Sieben-Kirchen-Wallfahrt in der frühen Neuzeit. Und umgekehrt wurde das Römische mitunter als das "nicht-Unsere" empfunden und stilisiert. Bis hin zu eigentümlichen Stellungnahmen zur Frage der "Echtheit" der Petrus-Reliquien, obwohl doch klar sein müsste, dass die Diskussion über diese Frage nicht von konfessionellen Vor-Urteilen abhängen sollte.

Rom ist heute nicht nur Zentrum der römisch-katholischen Weltkirche, sondern auch ein dynamisches Zentrum der christlichen Ökumene.

Das "Römisch-Katholische" wurde zur Konfessionsbezeichnung – aber das muss nicht für immer so bleiben. Denn die Landschaft änderte sich im späten 19. und im 20. Jahrhundert. Seit dem Ende des Kirchenstaates 1870 konnten in Rom auch nicht-katholische Gemeinden gegründet und Gottesdienste gefeiert werden. Schon vorher gab es einen "nicht-katholischen Friedhof" (Cimitero acattolico bei der Cestius-Pyramide), und dann entstanden in rascher Folge auch Kirchbauten: Die amerikanische Episkopalkirche, die Anglikaner, die Methodisten, die Waldenser und schließlich auch die Lutheraner errichteten vor oder nach 1900 eigene Kirchbauten, teilweise in monumentalen Dimensionen. Einige davon machen schon durch ihren Stil deutlich: Es sind römische Kirchen, sie fügen sich ein in Bautraditionen und geistliche Traditionen der Stadt. Die früheste dieser Kirchen zeigt das auch durch ihren Namen: Die neue Kirche der Amerikaner stellt sich als Paulskirche innerhalb der Mauern neben die spätantike Basilika Sankt Paul vor den Mauern. Zugleich erinnert sie daran, dass Paulus ein wichtiger Bezugs­punkt für die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen ist: der römische Paulus.

Kirche San Paolo dentro le Mura der amerikanischen Episkopalkirche, Rom
Kirche San Paolo dentro le Mura der amerikanischen Episkopalkirche, Rom Chabe01/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Vor allem aber änderte sich die Landschaft im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Ökumene. Das Nebeneinander der Konfessionen wurde nun nicht mehr als Gegnerschaft oder Konkurrenz empfunden, sondern als bereicherndes Miteinander. So kommt es, dass Rom heute nicht nur Zentrum der römisch-katholischen Weltkirche ist, sondern auch ein dynamisches Zentrum der christlichen Ökumene. In der Gebetswoche für die Einheit der Christen oder im großen ökumenischen Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Kirche an Himmelfahrt zeigt sich: Vertreterinnen und Vertreter ganz unterschiedlicher Traditionen sind gemeinsam Christen und gemeinsam Römer. Sie feiern "katholisch" im ursprünglichen Sinn des Wortes: Umfassend, inklusiv, gemein­schaftlich.

In diesem Sinne wird das römischste aller christlichen Feste, das Fest für Petrus und Paulus am 29. Juni, auch in der lutherischen Kirche freudig und stolz gefeiert: römisch-ökumenisch.

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