Im Dunkel der Nacht blinken weiße Streifen unaufhörlich über die Wand. Die Lichterketten aus der Nachbarschaft erhellen durch die schmalen Schlitze der Fensterläden zuckend mein Schlafzimmer. Einmal im Jahr nutzen Römer tatsächlich ihre Balkone - sonst dienen die allenfalls als weitere Abstellfläche neben Keller oder Garage. Spätestens Anfang Dezember schmücken meist mehrere Lichterketten in diversen Formen und Farbkombinationen den Außenbereich. Ob Ladenlokale, Restaurants oder das eigene Zuhause: Weihnachten ist erst dann, wenn es ordentlich blinkt.
Bei dem endlosen Geflacker an den Straßenrändern muss sich die Stadt Rom etwas einfallen lassen, um der eigens organisierten und finanzierten Weihnachtsdeko überhaupt Geltung zu verschaffen. Das geht, Sie ahnen es, mit noch mehr Licht. Und Bewegung. Bewegtem Licht also. 500.000 LED-Leuchten spannen sich wie ein Teppich über Roms Shoppingmeile Via del Corso. Über eine Länge von mehr als 1,5 Kilometer blinken diese Lichtlein nicht nur, sondern erschaffen bewegte Bilder – vom Weihnachtsstern zum Christbaum.
Anlässlich des Heiligen Jahres und ausgestattet mit den damit verbundenen Geldern ließ sich Rom nicht lumpen und investierte über eine Viertelmillion Euro in eine 20 Meter hohe Nordmanntanne, deren Transport, Dekoration und Pflege – sowie in weitere 100.000 LEDs.
Letzterer bietet in diesem Jahr ausnahmsweise keinen Grund zur Klage. Anlässlich des Heiligen Jahres und ausgestattet mit den damit verbundenen Geldern ließ sich Rom nicht lumpen und investierte über eine Viertelmillion Euro in eine 20 Meter hohe Nordmanntanne, deren Transport, Dekoration und Pflege – sowie in weitere 100.000 LEDs. Die verwandeln den Baum und die Piazza del Popolo, auf der er steht, in ein goldfarbenes Lichtermeer. Splendacchio, der Strahlende, wurde er schon getauft.
Der Name knüpft an den eines weitaus traurigeren Artgenossen an: den legendär kahlen Spelacchio aus dem Jahr 2017. Bis heute steckt den Römern ein Gefühl der Erniedrigung über den in ihren Augen mickrigen Christbaum in den Knochen, der symbolisch auch noch für den Zustand der Stadt herhalten sollte. Abgehängt fühlten sich die Hauptstädter mal wieder von der glitzernden Mode- und Finanzmetropole Mailand, die in dem Jahr – natürlich – einen buschigeren Weihnachtsbaum hatte.
Diesbezüglich hat der römische Stolz 2025 keine Kratzer zu befürchten. Oder sagen wir: fast. Denn leider fehlt es dem kleinen Bruder des Strahle-Baums, der auf der Piazza Navona steht, an Pracht, finden einige Bewohner. Also doch ein weiterer Spelacchio? Ausgerechnet auf dem Platz, an dem die Weihnachtshexe Befana am 6. Januar vor Tausenden Besuchern landen wird? Vielleicht lenkt das am gleichen Tag zelebrierte Ende des Heiligen Jahres die Aufmerksamkeit aber eh weg vom Baum auf dem Platz in der Innenstadt und hin zum Petersdom.
Partybeleuchtung auf dem Petersplatz
Während der gemeine Römer also die städtischen Christbäume stets mit Lamento dekoriert, verhält es sich auf der anderen Tiberseite etwas ruhiger: Sobald der vatikanische Christbaum auf dem Petersplatz aufgestellt ist, ist das Drama um seine Fällung schon wieder vergessen. Alle Jahre wieder begleiten Proteste den Brauch, dem Papst einen möglichst großen Weihnachtsbaum zu schenken. Neben dem Kostenfaktor für Fällung und Transport geht es den Gegnern vor allem um den aus ihrer Sicht sinnlosen Tod des Nadelgehölzes.
In diesem Jahr schmückt eine 25 Meter hohe Fichte den Platz vor dem Petersdom. Anders als die römischen Konterparts und entgegen der italienischen Tradition, nach der Baum wie Krippe ab Mariä Empfängnis am 8. Dezember im Einsatz sind, begann die norditalienische Fichte ihren weihnachtlichen Dekorationsjob erst am 15. Dezember. Dafür mit derart bunten und blinkenden Lichteffekten, die der Partybeleuchtung des "Splendacchio" und manch eines römischen Balkons in nichts nachstehen, und mehr an eine Disko- als an eine Heilige Nacht erinnern.
Für den neuen Papst Leo XIV. haben die Verzögerungen bei der Renovierung seiner Wohnung im Apostolischen Palast also auch Vorteile. Wenigstens in diesem Jahr zucken in der Vorweihnachtszeit noch keine Lichter unaufhörlich über seine Schlafzimmerwand.