Zahlen und ihre DeutungPapstbegräbnisse – Abstimmung mit den Füßen?

Wenn es um den zukünftigen Kurs der katholischen Kirche geht, berufen sich einige auch auf die hohen Teilnehmerzahlen beim Franziskus-Begräbnis. Ein genauerer Blick in die kirchliche Statistik relativiert den Eindruck. Das sechste "Rauchzeichen" aus Rom.

Menschenmenge beim Requiem für Papst Franziskus am 26. April 2025 auf dem Petersplatz im Vatikan
© Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani/KNA

I.

In diesen Tagen wird viel mit Zahlen argumentiert. "Die Menschen" hätten "mit den Füßen abgestimmt, wenn es darum geht, welche Form von Kirche sie sich wünschen" schreibt ein Redakteur des Portals katholisch.de. Begründung: Bei der Beerdigung von Benedikt XVI. sei der Petersplatz halbvoll gewesen, bei Franziskus habe die Menge hingegen bis in die Via della Conciliazione hinunter gestanden. Auch Kardinal Marx berief sich bei einer Pressekonferenz am Tag der Beisetzung auf die große Resonanz, um seine Auffassung zu untermauern, dass es keine "Polarisierung" innerhalb der Kirche gebe. "Bestimmten Gruppen" dürfe man nicht zu viel Beachtung schenken. Die große Mehrheit, so deutete Marx damit an, folgt dem Kurs von Franziskus. Gestern indes berichtet Vatikan-Sprecher Matteo Bruni, die Kardinäle hätten bei ihrem Treffen über das "Leid" diskutiert, das durch die "Polarisierung innerhalb der Kirche" und die "Spaltung der Gesellschaft" verursacht werde.

II.

Rund 250.000 Menschen haben am Requiem für Papst Franziskus rund um den Petersplatz teilgenommen, weitere 150.000 verfolgten den Trauerzug vom Vatikan nach Santa Maria Maggiore vom Straßenrand aus. Beim emeritierten Papst Benedikt kamen deutlich weniger, nämlich nur 50.000 Gläubige, zum Requiem. Allerdings: Benedikt XVI. war bei seinem Tod schon lange nicht mehr im Amt, wie auch katholisch.de zugesteht. Man könnte ergänzen: Es war Januar, es war kein Heiliges Jahr, keine Osteroktav – und kein "Giubileo degli Adolescenti". Bei diesem kirchlichen Jugendfestival hatte man im Vorfeld 80.000 bis 100.000 Teilnehmer erwartet. Sie dürften also einen nicht unbeträchtlichen Teil der Anwesenden beim Franziskus-Begräbnis ausgemacht haben.

III.

Vor dem Begräbnis wird der Leichnam des Papstes im Petersdom aufgebahrt, Menschen können die Basilika besuchen, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen. 200.000 Menschen erwiesen Benedikt XVI. auf diesem Weg die letzte Ehre. Bei Franziskus wurden 250.000 gezählt.

IV.

Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 2005 starb, kamen 3,5 Millionen Menschen nach Rom. Bis heute gilt das Ereignis als das größte Begräbnis der Weltgeschichte. Die Menschen übernachteten damals im Freien, altgediente Vatikan-Journalisten erzählen von schier unübersehbaren Menschenmassen auf den Straßen Roms.

V.

Am Montag verschickt der Pressesaal des Heiligen Stuhls eine Statistik. Dokumentiert sind die Teilnehmerzahlen an päpstlichen Veranstaltungen: Generalaudienzen, besondere Audienzen, Angelus-Gebete und liturgische Feiern. Für 2013, dem Jahr des Pontifikatswechsels, nennt die Statistik die Zahl von rund 7.300.000 Teilnehmern. In den folgenden Jahren sinken die Zahlen kontinuierlich – wobei man die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 natürlich nicht berücksichtigen darf. Im letzten Jahr vor der Pandemie, 2019, waren es 2.400.000 Teilnehmer, 2024 dann noch circa 1.700.000 Teilnehmer.

VI.

Zum Vergleich: Benedikt startete in seinem ersten Jahr mit rund 4.000.000 Teilnehmern. Auch bei ihm sanken die Zahlen während der ersten Jahre – 2008 waren es circa 2.200.000. Von da an blieben sie jedoch in etwa konstant. Für 2012, im letzten Jahr vor dem Rücktritt, zählte der Vatikan 2.300.000 Teilnehmer.

VII.

Beim Mittagessen in einem römischen Lokal nennt mir ein kundiger Gesprächspartner eine andere Zahl. Da ich diese Zahl nicht nachprüfen kann, gebe ich sie hier auch nicht weiter. Es ist jedenfalls eine sehr große Zahl. Ein monatlicher Geldbetrag. Man habe die Kosten ausgerechnet, erzählt er mir, die sich für den Heiligen Stuhl daraus ergeben hätten, dass der Papst und sein Stab im vatikanischen Gästehaus "Casa Santa Marta" untergebracht waren, während der Apostolische Palast leer stand. Einen so bescheidenen Papst werde sich die Kirche zukünftig nicht mehr leisten können, spottet mein Tischgenosse.

VIII.

Eine letzte Zahl: 80 Millionen Euro. So viel betrug Medienberichten zufolge zuletzt das strukturelle Defizit des Vatikans. Die finanzielle Situation des Heiligen Stuhls war am Mittwoch ebenfalls Gesprächsthema der Kardinäle, wie der Vatikansprecher mitteilt. Kardinal Marx, Koordinator des Päpstlichen Wirtschaftsrats, habe ein "aktuelles Bild der bestehenden Herausforderungen" sowie "Vorschläge, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind" präsentiert. Ob Marx auch auf das Einsparpotenzial bei der Unterbringung des Amtsinhabers eingegangen ist?

 

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