Während meines Studiums der Religionswissenschaft fand ich es immer besonders spannend, von klein auf bekannte biblische Geschichten und Konzepte aus einer anderen Perspektive neu kennenzulernen. Im Islam gibt es zum Beispiel die weit verbreitete Ansicht, dass Engel keinen eigenen freien Willen haben. Sie sind quasi „Werkzeuge“, geschaffen, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die niemals von ihrem vorgeschriebenen Weg abweichen. „Gefallene Engel“ kennt man hier also nicht. Daran musste ich wieder denken in Vorbereitung auf die Feste der Erzengel und der Schutzengel in dieser Woche. Ändert sich etwas, wenn wir von Engeln als freien Wesen denken? Und sind wir dankbar genug für unseren eigenen freien Willen?
Felix Evers stellt in dieser Ausgabe einen ganz besonderen Engel vor: das Kunstwerk Der Schwebende von Ernst Barlach, das einst zu Kriegszwecken eingeschmolzen, jetzt wieder seinen Platz gefunden hat (vgl. S. 3). Und Annette Jantzen untersucht, wie sich das frühe Christentum von einer Gemeinschaft der Gleichen zu einer neuen Form von Hierarchie entwickelte – und warum es sich lohnt, auf die gottgegebene Freiheit jedes Menschen zu pochen (vgl. S. 5).