I.
Die Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, Schwester Christine Rod, versteht nicht, warum die Weltpresse – von der BBC bis zu der New York Times – so viel Interesse an der Geschichte der Nonnen von Goldenstein zeigt. Die drei weigern sich, ihr Kloster bei Salzburg endgültig zu verlassen. Trotz offizieller Auflösung des Konvents und Druck von oben sind sie zurückgekehrt, haben die Tür aufgebrochen – und besetzen nun ihr altes Kloster. Schwester Christine ist ratlos: Es sei doch seltsam, "dass sich die mediale Öffentlichkeit an einer Welt abarbeitet, die es eigentlich so nicht mehr gibt: Nonnen in strenger Tracht, Schulheime und ein Flair von Trapp und Romy Schneider." Die drei Schwestern würden "exotisch" erscheinen, heißt es in der Stellungnahme über die leidige "Causa" weiter. Das mediale Interesse sei "Inszenierung", ihr Anliegen das Resultat von Aufstachelung, hämische "Überspitzung."
II.
In Wirklichkeit gehe es bei der Angelegenheit "um Fragen der altersgerechten Betreuung – ähnlich wie in jeder Familie", meint die Generalsekretärin. Man kennt das: Manchmal muss die Oma eben auch gegen ihren Willen ins Heim.
III.
Die Welt der drei Exotinnen im schwarzweißen Habit ist längst untergegangen, weiß die Österreichische Ordenskonferenz. Die drei Augustiner-Chorfrauen halten dagegen. Ein Fall von Altersstarrsinn?
IV.
Schon vor Wochen, als die drei Ordensfrauen noch im Altersheim waren, versuchte die Föderationspräsidentin des Ordens der Augustiner-Chorfrauen, Schwester Beate Brand aus Deutschland, im Interview mit katholisch.de den Kampf der drei Frauen abzumoderieren. Sie erklärte, warum der für die drei Nonnen zuständige männliche Kirchenobere "eingeschritten" sei:
"Es lag auf der Hand, dass der Propst schon etwas härter durchgreifen musste. Wenn er die Schwestern 'sanft' angefragt hätte, ob sie in ein Seniorenheim wollen, dann hätten sie 'Nein' gesagt. Sie waren einfach beratungsresistent."
Das Interview ist ein verheerendes Signal an tausende betagte Ordensfrauen: Wir machen mit euch, was wir wollen.
V.
Ein kundiger Kollege klärt mich auf: Dass die drei Schwestern gegen ihren Willen ins Heim "verfrachtet" worden seien, stimme so nicht. Und das sei bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit. Ihre Geschichte werde von einer Journalistin und einer Gruppe Klosterschülerinnen medial geschickt in Szene gesetzt.
VI.
Es liegt auf der Hand, dass die drei hochbetagten Schwestern sich nicht selbst um den Instagram-Account kümmern. So manche katholischen Ordensleute versuchen sich als Influencer. Nur wenige sind wirklich erfolgreich. Der Instagram-Account der Nonnen von Goldenstein gewinnt von Tag zu Tag neue Follower – und damit neue Sympathisanten – dazu. Vor drei Tagen waren es 25.000. Vorgestern 30.000. Gestern 40.000. Wie blind muss man sein, um nicht zu sehen, dass die drei so liebenswürdigen wie sturen Chorfrauen mehr für die Verkündigung des Evangeliums tun, als so manche kirchliche Medienabteilung?
VII.
Ein Freund, der sich gut in der österreichischen Ordenslandschaft auskennt, ist empört. "Es braucht in der katholischen Kirche niemand mehr über Frauenrechte reden, wenn Frauen in kirchlichen Machtpositionen drei Nonnen in den Rücken fallen, die gegen eine ganze Geschichte der Unterdrückung rebellieren", schreibt er mir.
VIII.
Inzwischen lässt sich der den Nonnen vorgesetzte Propst drohend vernehmen: "Die Schwestern handeln gegen die von ihnen freiwillig abgelegten und immer wieder bekräftigten Gelübde."
IX.
Inszenierung hin oder her. Die Krisenkommunikation der Kirchenoberen ist eine Katastrophe. Die Bewegung, die rund um die drei Chorfrauen entstanden ist, lässt sich nicht mit belehrender Herablassung und Verweisen auf Gehorsam und Kirchenrecht niederringen. Hier passiert etwas Einmaliges, Rührendes und Herzzerreißendes, das man nicht mit Floskeln abtun und kleinreden kann. Von kirchenoffizieller Seite gibt es nur eine Option: Man muss die drei Schwestern umarmen.
X.
Muss man das? Ja! Wenn sie nicht selbst als starrsinnig (und unbarmherzig) dastehen wollen, haben die zuständigen Autoritäten keine andere Wahl, als vor die Öffentlichkeit zu treten und zu sagen: Wir werden jetzt alles versuchen, es den drei Frauen zu ermöglichen, ihre letzten Lebensjahre in ihrem alten Kloster verbringen können, so wie sie es sich wünschen. Mein Freund hat ein gutes Argument:
"Für den greisen Johannes Paul II. hat man alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit er bis ins Grab seiner Berufung folgen konnte. Diesen drei tiefgläubigen Nonnen, die ihr gesamtes Leben der gnadenhaften Liebe Gottes hingegeben haben, schuldet die Kirche dies im gleichen Maße."