Manchmal kommt man ungewollt vom Weg ab – und entdeckt echte Schönheiten. In meinem Fall war es schlicht die Verwechslung zweier Kirchen, die mich an den Stadtrand von Rom führte. So landete ich ungeplant in Casal de'Pazzi.
"Es war keine Menschenseele zu sehen, und unter der Sonne, die den Asphalt der Straße und die Felder erhitzte, war nur die Stimme von Riccetto zu hören, der sang", beschreibt Pier Paolo Pasolini in "Ragazzi di Vita" einen Besuch des Viertels im Nordosten der italienischen Hauptstadt, das bis 1975 nur aus Äckern und Weideland bestand. Mir ging es bei meinem Ausflug ähnlich – abgesehen von dem Gesang. Keine Menschenseele weit und breit, keine liebliche Stimme erreichte mein Ohr, nur ein paar Autos begegneten mir auf meinem Weg über das monotone Grau.
Die Kirche "Santa Maria Maddalena de'Pazzi" wurde 1983 geweiht. Von außen wirkt sie wie eine in die Jahre gekommene Turnhalle.
© Severina Bartonitschek
Die "falsche" Kirche hätte ich ohne meine digitale Wegbeschreibung übersehen. Hinter einem leeren asphaltierten Platz wirkt sie wie eine in die Jahre gekommene städtische Turnhalle. An der einst hellen Fassade nagt der Zahn der Zeit aus Rost, Moos und Abgasen. Riesige Lüftungsrohre aus Metall und eine Wegüberdachung aus moderndem Plastik vollenden die gräuliche Kreation. Doch aus einem Betonklotz linkerhand ragt ein Metallkreuz und verweist auf ein Gotteshaus.
Mit Kirchen ist es manchmal wie mir Menschen: Außen pfui, innen hui. Oder andersherum. Für Santa Maria Maddalena de'Pazzi gilt ersteres. Der Innenraum der 1983 eingeweihten Kirche bildet ein großes Rechteck. Die stufenartig angeordneten Sitzreihen erinnern an eine Arena und umarmen den Altarraum von drei Seiten. Den niedrigen Betonbau erhellt ein großes Oberlicht über dem Altar, Buntglasfenster an den Ecken werfen farbige Lichtpunkte an die grauen Wände. Kontrastiert wird der Beton durch Bänke, Kreuzwegstationen und Lampenkonstruktionen aus Holz. Ein farbenfrohes Kreuz ist unter dem Oberlicht und vor einem ebenfalls bunten Triptychon angebracht.
Der Innenraum ist ansprechender.
© Severina Bartonitschek
Im Jahr 1987 besuchte Papst Johannes Paul II. die Kirche, genauso wie 2001 jenes Gotteshaus, das ich eigentlich besuchen wollte – und schließlich auch fand. Sant'Angela Merici liegt wieder ein gutes Stück stadteinwärts im Viertel Nomentana, ist 20 Jahre älter als Santa Maria Maddalena de'Pazzi und in einem völlig anderen architektonischen Stil geschaffen. Von außen erinnert die Kirche aus rotem Backstein an einen adipösen Leuchtturm: ein hoher, aber korpulenter achteckiger Bau mit einer Art Laterne an der Spitze. Unterhalb der Kuppel verlaufen gelbe und blaue Buntglasfenster und bilden gemeinsam mit dem Glasdach ein geometrisches Kunstwerk an der Decke.
In den Nachkriegsjahrzehnten wuchs Italiens Hauptstadt bedingt durch eine starke Landflucht immens. Zudem wurden die Barackensiedlungen, in denen die Römer nach dem Zweiten Weltkrieg lebten, abgerissen. Um die vielen Menschen unterzubringen, entstanden außerhalb des Zentrums immer mehr Wohnsiedlungen und mit ihnen nach und nach neue Kirchenbauten.
Diese beiden jungen Gotteshäuser sind nur zwei Beispiele für die vielen architektonisch spannenden Kirchenneubauten, die in Rom abseits der üblichen Prunkbauten zu finden sind. In den Nachkriegsjahrzehnten wuchs Italiens Hauptstadt bedingt durch eine starke Landflucht immens. Zudem wurden die Barackensiedlungen, in denen die Römer nach dem Zweiten Weltkrieg lebten, abgerissen. Um die vielen Menschen unterzubringen, entstanden außerhalb des Zentrums immer mehr Wohnsiedlungen und mit ihnen nach und nach neue Kirchenbauten – sogar über die Jahrtausendwende hinaus.
Die Jubiläumskirche in Tor Tre Teste ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Der US-amerikanische Architekt Richard Meier schuf Dio Padre Misericordioso anlässlich des letzten Heiligen Jahres 2000, drei Jahre später wurde das Gotteshaus eingeweiht. Bestehend aus drei riesigen weißen Segeln, die sich über den Kirchenraum wölben, soll der Bau an ein ebensolches Schiff erinnern. Verglichen mit der Fassade wirkt der Innenbereich kleiner – Elemente aus Holz schaffen auch hier einen Kontrast zum Beton. Ein Dachfenster über die gesamte Vertikale gibt den Blick frei in den römischen Himmel – unter dem noch viele Perlen der Peripherie auf ihre Entdeckung warten. Ich empfehle: Einfach mal vom Weg abkommen!