Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Römer sind nach Rom und der Papst in den Vatikan zurückgekehrt, die Temperaturen sind mit 25 bis 30 Grad wieder erträglich. Doch selbst wenn die Urlaubstage von Papst Leo XIV vorbei sind, war in der päpstlichen Residenz in Castel Gandolfo in den ersten Septembertagen einiges los: Am 5. September hat Leo XIV. dort das Ökozentrum "Borgo Laudato si'" eingeweiht, das von seinem Vorgänger Papst Franziskus 2023 gegründet worden war. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Papst Franziskus' gleichnamiger Sozial- und Umweltenzyklika soll hier nun ein nachhaltiger Umgang mit der Schöpfung konkret erfahrbar werden.
Geplant ist viel: zunächst einmal ein umfassendes Bildungsprogramm für Schul- und Unigruppen sowie für Manager von Großunternehmen. Doch sollen auch gezielt sozial benachteiligte Personen, etwa Migranten oder ehemalige Strafgefangene, gefördert werden. Eine Gärtnerausbildung auf dem rund 55 Hektar großen Gelände soll die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Bei 35 Hektar handelt es sich um die früheren Apostolischen Gärten, in denen sich neben der floralen Schönheit auch Spuren aus der Zeit des römischen Kaisers Domitian finden. Weitere Flächen dienen der Landwirtschaft – unter anderem dem Anbau von Wein und Oliven, die dann auch im zugehörigen Restaurant und Hotel angeboten werden sollen – sowie der Tierhaltung. Nebst Kühen und Hühnern werden sogar Pferde zu den neuen tierischen Bewohnern der Anlage zählen.
Ein umfassender Ansatz
Das Projekt versucht mit diesem umfassenden Ansatz Papst Franziskus' Überzeugung zu entsprechen, dass die Armen stets die von den ökologischen Veränderungen und Katastrophen am stärksten Betroffenen seien und dass von daher "die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind" (LS 10).
Doch selbst der Aspekt der Kunst kommt in dem Streben nach ganzheitlicher Gesundheit nicht zu kurz. Die Schönheit der Schöpfung will nach allen Ebenen hin erfahren werden. So wurde die Einweihungsfeier musikalisch vom italienischen Star-Tenor Andrea Bocelli und seinem Sohn Matteo begleitet.
Castel Gandolfo öffnet nach 400 Jahren seine Tore für alle – und schlägt damit zugleich ein neues Kapitel in der kirchlichen Bildungsgeschichte auf.
Selbstverständlich darf mit Blick auf die Ausbildung einer umfassenden Schöpfungsspiritualität auch die Dimension der Liturgie nicht fehlen. Passend hat Papst Leo XIV. bereits zwei Monate vor der offiziellen Einweihung des Borgo, nämlich am 9. Juli, dort zum ersten Mal die Missa pro Custodia Creationis (Messe zur Bewahrung der Schöpfung) gefeiert, für welche nun bereits ein deutsches Messformular vorliegt.
Castel Gandolfo öffnet also nach 400 Jahren seine Tore für alle – und schlägt damit zugleich ein neues Kapitel in der kirchlichen Bildungsgeschichte auf. Als ich im September 2024 im Zuge der interdisziplinären Summerschool „Nature and Religion in the Anthropocene“ zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Augsburg, Graz und Passau sowie über 25 Studierenden als erste Studiengruppe das Borgo besuchte, befand sich das meiste noch in der Aufbauphase. Wie realisierbar sich die vielen Vorhaben tatsächlich gestalten, wird sich erst in den kommenden Jahren herausstellen. Die päpstliche Gartenanlage lädt auf jeden Fall schon mal zum Träumen ein.