Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Shakespeare muss ein schwarzes Mädchen sein, ist die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Maya Angelou überzeugt, als sie seine Sonette liest. Woran liegt es, dass Shakespeare, der tote weiße europäische Schriftsteller schlechthin, bis heute ein so vielfältiges Publikum fasziniert, quer durch alle Kulturen, Epochen und Gesellschaftsschichten? Eine Antwort: weil er nie Partei ergreift in seinen Stücken. Sie geben Königen ebenso eine Stimme wie dem einfachen Volk, und keiner kann sagen, bei wem Shakespeares Sympathien liegen oder was er glaubt. Der Mensch hinter den Texten entzieht sich. Das führt zu der paradoxen Situation, dass wir über den bedeutendsten Autor aller Zeiten viel zu wenig wissen.

Was für ein Mensch war Shakespeare? Aus den überlieferten Dokumenten lässt sich folgern: Shakespeare war entschlossen in Geldangelegenheiten, ziemlich prozessfreudig, durch und durch unsentimental, wählerisch bis pedantisch, freundlich und offen. Zum Teil lässt sich seine Größe durch die historischen Umstände erklären: Als er die Londoner Theaterszene betritt, bietet sich ihm die einzigartige Gelegenheit, den Beruf Schriftsteller zu erfinden und das Theater zu revolutionieren. Innerhalb weniger Jahre wird er nicht nur zum erfolgreichsten Dramatiker seiner Zeit, sondern auch zum beliebtesten Lyriker. Über Kunst lässt sich streiten. Nur Shakespeares Name ist wie kein anderer zu einem Synonym für Genie geworden.

Ihre
Dr. Sabine Anders, Redakteurin

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