Um die Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitet sich langsam, aber stetig der Geist der Aufklärung, und er macht auch nicht vor der Wiener Hofburg halt. Joseph II., seit 1765 Kaiser, faktisch nur Mitregent, bedrängt seine Mutter und wahre Herrscherin Maria Theresia, die Folter abzuschaffen. Diese ist ein offizielles Mittel der Strafjustiz im Habsburgerreich. Doch Maria Theresia hält von einer Abschaffung nicht viel. Die tiefreligiöse und konservative Erzherzogin von Österreich bekennt offen: »Ich liebe keine Neuerungen.«
Der Feind Friedrich der Große als Vorbild
Joseph II. hingegen ist von den aufklärerischen Philosophen begeistert und fordert eine Justiz, die auf Beweisen statt auf erpressten Geständnissen beruht. Um seine Forderungen durchzusetzen, erhöht er den Druck auf seine Mutter und argumentiert, dass in vielen Teilen Europas die Folter bereits abgeschafft sei und Österreich als rückständig zu gelten drohe. Als Vorbild dient ausgerechnet Maria Theresias langjähriger Kriegsgegner Friedrich der Große, der die Folter bereits kurz nach seiner Thronbesteigung in Preußen 1740 beendet hat.
Wenn auch widerwillig, erlässt Maria Theresia am 2. Januar 1776 das Patent zur Abschaffung der Folter, allerdings mit Einschränkungen für Hochverrat und »gottloses Vergehen« wie Hexerei. Nach dem Tode seiner Mutter schafft Joseph 1787 die Folter endgültig und ohne Ausnahmen ab, in weiten Teilen auch die Todesstrafe – und macht Österreich zum Vorreiter einer humaneren Justiz.
Mitregent und Kaiser Joseph II.
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Herrscherin Maria Theresia
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