Tines praktische TheorieArbeitsauftrag: Heute bitte dringend spielen!

Eine Illustration zeigt eine Person mit Schnurrbart und zu großer Kleidung, deren Koffer aufgeplatzt ist und aus dem alle Spielsachen herausgefallen sind; dabei zeigt die Person auf eine Tafel mit der Aufschrift „Freispiel“.
© Marén Gröschel

Und, was habt ihr heute Schönes gemacht?“, fragen aufmerksame Eltern ihre Kinder nach einem langen Kita-Tag. „Nichts“ oder „Gespielt“, hören wir dann oft in den Flur gemurmelt. Ein Tagesbericht, so ausführlich und eindrücklich, als wäre man dabei gewesen.
Wenn wir dann unsere Elternabende planen, kommt meistens der Hinweis einer Kollegin: „Wir sollten uns auch noch mal Zeit nehmen und den Eltern erklären, wie wichtig das Freispiel ist.“
Und sie hat recht: Jedes Jahr aufs Neue müssen wir erklären, welch große Bedeutung das Spiel – das Freispiel – für die Entwicklung der Kinder hat. Wir müssen es verteidigen wie das letzte Paket Nudeln im Lockdown in einer Kinderwelt voller Yogakurse, Kunstschule, Klarinettenunterricht und Mandarin für Krippenkinder. Dabei ist das freie Spiel so einfach wie genial. Stell dir das doch mal vor: Du fängst einen neuen Job an und hast so eine ungefähre Ahnung, worum es geht. Die Leute in der Firma sind ganz nett und helfen dir, wenn du Fragen hast. Es gibt dort alles, was du brauchst. Du wolltest den Job, du hast richtig Lust, gut darin zu werden. Aber anstatt jeden Tag Vortrag um Vortrag zu hören, wie das alles funktioniert (und wir kennen das, es bleibt so ziemlich gar nichts hängen), sagt dir dein:e Chef:in „Probier’s einfach aus, kümmere dich erst mal um die Sachen, die dir interessant vorkommen, und mache BITTE Fehler! Du darfst hier heute erst gehen, wenn mindestens eine Sache schiefgelaufen ist.“
Wenn du am nächsten Tag wiederkommst, fängst du da an, wo es dir am besten gefallen hat, wo du am meisten gelernt hast. Du wirst dich den Themen zuwenden, die du noch nicht so gut kannst, die du noch nicht verstanden hast. Zwischendurch wirst du sogar noch besser in den Sachen, die du schon gut kannst.
Und das Beste? Du machst das alles nicht allein, sondern mit einem Team von Kolleg:innen, die ungefähr auf dem gleichen Stand sind wie du. Die einen sind schon ein bisschen länger da, die helfen dir jederzeit. Dann gibt es da vielleicht bereits neue Kolleg:innen, denen DU sogar was beibringen kannst, weil du inzwischen auch schon deine Erfahrungen gemacht hast.
Ein geeigneter Mix aus ganz viel Praxis plus ein paar Workshops und Kurse macht uns doch erst gut in dem, was wir tagtäglich machen. Und ja, schnöde Vorträge sind manchmal hilfreich. Für unsere Kinder lautet die Jobbeschreibung: ihre ganz eigene Welt erforschen. Dafür brauchen sie den Freiraum mindestens genauso dringend wie die angeleiteten Angebote und Ausflüge.
Wenn das endlich alle verstanden haben, kümmern wir uns um das restliche Bildungssystem, okay?

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