Wohl in keiner anderen Stadt nördlich der Alpen ist das bauliche Erbe der Römerzeit ähnlich gegenwärtig wie in der Moselstadt Trier. Die Barbarathermen, die Kaiserthermen, das Amphitheater, der wuchtige Ziegelbau der kaiserlichen Palastaula (Basilika) und natürlich die Porta Nigra, das römische Nordtor, bilden touristische Magneten und Bezugspunkte, gerade auch im heutigen Stadtbild. Die Römerbrücke, 144 n.Chr. errichtet, dient bis heute dem Verkehr über die Mosel: Täglich überquert eine Blechlawine von rund 12000 Kraftfahrzeugen den Fluss.
Mit dem Stammesheiligtum der keltischen Treverer auf der westlichen Moselseite und dem Tempelbezirk im Altbachtal im Südosten der römischen Stadt haben einzigartige Kultstätten gallo-römischer Götterverehrung der lokalen Bevölkerung die Zeiten überdauert. Der monumentale Trierer Dom und die frühgotische Liebfrauenkirche bergen architektonische Zeugnisse der frühchristlichen Kirchenanlage, die von einer 1700-jährigen Kontinuität kirchlichen Lebens künden.
Trier, Südallee. Kalksteinrelief des Fackel - trägers Cautes, ein Begleiter des Mithras, gefunden im Mithräum des 2. Jh. n. Chr.
GDKE – Rheinisches Landesmus. Trier (GDKE – RLMT)/St. Dreßler, Th. Zühmer
Die imposanten Großbauten, seit 1986 Teil des Welterbes der UNESCO, bildeten natürlich keine Solitäre, sondern waren eingebettet in ein Gesamtgefüge. Die römische Stadtbefestigung, in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n.Chr. angelegt, umschloss ein geradezu gigantisches Gebiet von 285 ha. Auf der Fläche dieser antiken Großstadt hätten die Provinzhauptstädte Ober- und Niedergermaniens, Mainz und Köln, sowie Xanten bequem Platz gefunden. Hinzu treten ausgedehnte Gräberfelder vor den Toren der Stadt, vorstädtische Siedlungen (vici) auf der gegenüberliegenden, westlichen Moselseite mit Wohn- und Gewerbebebauung, Heiligtümern und Bestattungsplätzen. Zählt man dies alles zusammen, so erstreckt sich die »Flächenfundstelle« des antiken Trier über ein Areal von annähernd 400 ha.
Römisches Gräberfeld im Norden von Trier. Ringförmig um einen Grabrundbau angeordnete Bestattungen in Bauchlage aus dem 2. Jh. n. Chr.
GDKE – Landesarch. Trier (GDKE – LAT)/A. Hill
Das heutige Trier mit seinen rund 112 000 Einwohnern ist ein lebendiger Organismus, der durch dynamische Wirtschaftsentwicklung und notorischen innerstädtischen Wohnraumbedarf gekennzeichnet ist. Infolge des Baudrucks sieht sich die Landesarchäologie im Rahmen der Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags als Denkmalfachbehörde gezwungen, jedes Jahr Rettungsgrabungen durchzuführen.
»Wer in Trier gräbt, findet immer etwas«
Aus dem reichen Fundus archäologischer Maßnahmen der letzten Jahre können hier nur wenige exemplarisch erwähnt werden: Bei einer technisch anspruchsvollen Tiefensondage an der Außenseite der nördlichen römischen Stadtmauer konnte ein Team der Universität München unter Leitung von Christoph Lindner in Kooperation mit der Landesarchäologie 2017 Konstruktionshölzer der Bauverschalung für die Fundamente der Stadtmauer bergen. Die anschließende Analyse durch das Dendrochronologische Forschungslabor am Rheinischen Landesmuseum Trier erbrachte erstmalig eine jahrgenaue Datierung, nach der das verbaute Holz im Winterhalbjahr 169/ 170 n.Chr. für die Verarbeitung gefällt worden war. Das neue Dendrodatum der römischen Stadtmauer Triers stützt und präzisiert die etablierte, auf Keramikfunden basierende Datierung der Stadtbefestigung in die zweite Hälfte des 2. Jh. n.Chr. Diese war vor einigen Jahren von Vertretern der Kölner provinzialrömischen Schule zugunsten einer Spätdatierung angezweifelt worden. Das Datierungsergebnis der Sondage, die ca. 350 m westlich der Porta Nigra angelegt wurde, dürfte auch auf die Zeitstellung des Stadttores zu übertragen sein, da von einem einheitlichen Bauablauf auszugehen ist.
Trier im 4. Jh. n. Chr. Rosa Flächen mit öffentlichen Bauten, hellblau Wohnbebauung, grün Gewerbegebiete am Stadtrand, hellbraun Gräberfelder außerhalb der Mauern.
GDKE – RLMT/St. Dreßler, F.-J. Dewald
Durch großflächige Grabungen konnten 2016 bis 2018 umfassende Einblicke in die Topografie des römischen Nordgräberfeldes vor der Porta Nigra gewonnen werden. Neben dem Nachweis einer »Gräberstraße« mit Grabmälern unterschiedlichen Typs wurden für Trier erstmalig Bestattungen der frühen und mittleren Kaiserzeit in Bauchlage beobachtet. Diese besondere Bestattungsform spiegelt offensichtlich geistige Begleitvorstellungen in der lokalen städtischen Bevölkerung, die für uns mangels schriftlicher Quellen nicht näher fassbar sind.
Für die Sakraltopografie der römischen Stadt zeitigen laufende Ausgrabungen auf einem Baugrundstück an der Südallee, südlich der Kaiserthermen, neue Erkenntnisse. Dort wird derzeit ein Heiligtum des Mithras freigelegt. Bei dieser Kultstätte, die am nordwestlichen Rand des Tempelbezirks im Altbachtal liegt, handelt es sich bereits um das zweite Mithräum in diesem Gebiet.
Die Forschung – Desiderate und Perspektiven
Die bei den Ausgrabungen gewonnenen archäologischen Quellen bergen ein immenses Forschungspotenzial, dem sich der neugegründete »Forschungsschwerpunkt Römische Archäologie und Maritime Antike (FoRuM)« widmen möchte (siehe Kasten). Über die römische Stadt hinaus sollen auch ihr Umland und die wirtschaftlichen Verflechtungen in der gesamten antiken Welt untersucht werden.
Dom St. Peter mit romanischem Westwerk; rechts schließt die frühgotische Liebfrauenkirche an.
GDKE – RLMT/Th. Zühmer
Das Projekt »TreASurE – Treveris Amphorae Survey and the local Economy« von Mateo González Vázquez, Patrick Reinard und Pascal Warnking verfolgt das Ziel, anhand der nach Trier gelangten Transportamphoren und deren Aufschriften quantifizierende Aussagen über die verhandelten Waren, ihre Produzenten und Spediteure sowie die Einbindung Triers in den mediterranen Wirtschaftsraum zu gewinnen.
Christoph Schäfer berichtet über ein vielbeachtetes Forschungsprojekt: Anhand eines 2017 bis 2019 unter seiner Leitung originalgetreu nachgebauten Handelsseglers untersuchen er und sein Team die Leistungsfähigkeit derartiger Frachtschiffe. Das auf den Namen Bissula getaufte Schiff war jüngst im Mittelmeer unterwegs, um den Nachbau unter realen Hochseebedingungen zu testen.
Ein Teilstück der Via Agrippa, die römische Heerstraße von Trier nach Köln, nimmt der Beitrag von Peter Henrich, Matthias Lang, Sophie von Prónay und Johanna Steffestun in den Blick. Bei diesem Kooperationsprojekt der Universitäten Trier und Bonn, der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und des Archäologischen Fördervereins Duppach e.V. konnten 2021 und 2023 im Bereich Duppach-Weiermühle im Landkreis Vulkaneifel wichtige Erkenntnisse zum Trassenverlauf und zur Datierung dieses Abschnitts der Fernstraße erzielt werden.
Amphitheater von Süden.
Am Ostrand der Stadt
in der zweiten Hälfte des
2. Jh. angelegt, wurde
das Amphitheater als
Torzugang in die zeitgleich
erbaute Stadt -
mauer integriert.
GDKE – RLMT/Th. Zühmer
Im Projekt »Keramikproduktion Südeifel«, vorgestellt von Angelika Hunold und Holger Schaaff, arbeiten das Leibniz-Zentrum für Archäologie, die Universitäten Frankfurt und Trier sowie die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz auf das Engste zusammen. Erforscht wird ein römisches Industrierevier für die Massenproduktion von Keramik nahe Trier. Intensive Rohstoffnutzung als Motor gesellschaftlichen Wandels und als Auslöser von Umweltveränderungen – diese Aspekte stehen im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens. Mit gut 400 ha Ausdehnung ist das Revier bei Speicher, Herforst und Binsfeld durchaus mit der »Flächenfundstelle« Trier vergleichbar.
Eines Desiderats der Keramikforschung nimmt sich Ferdinand Heimerl an, einer umfassenden Aufarbeitung der Keramik »Made in Trier«. Ab der Mitte des 1. Jh. n.Chr. bildete sich nahe der Mosel – südlich des Altbaches im äußersten Südwesten der Stadt – ein ausgedehnter Töpfereibezirk heraus, von dem seit 1893 immer wieder Teilflächen mit zahlreichen Ofenbefunden angeschnitten worden sind. Jüngste Ausgrabungen ergaben zudem, dass sich auch nördlich des Altbaches bereits seit der Mitte des 1. Jh. Töpfer angesiedelt hatten, sodass sich der Bezirk weiter nach Norden erstreckt hatte als bisher angenommen (AiD 4/ 2023, S. 63). Eine umfassende Publikation der ergrabenen Öfen und der dort produzierten Waren steht bisher aus.
Trier, Friedrich-Wilhelm-
Straße. Ofenbefund im
neu entdeckten Töpfereiquartier
(grün eingefärbt
im Stadtplan).
GDKE – LAT/St. Holzem
Die Fundgruppe »Papyri« wird man auf den ersten Blick sicher nicht mit dem römischen Trier assoziieren. Nicole Reifarth und Patrick Reinard legen die Rolle des aus Ägypten stammenden »Papiers« für die antike Schriftkultur, auch des Moselraumes, dar. Dafür ziehen sie vor allem Alltagsdarstellungen auf Grabmälern der Region, wie das berühmte Schulrelief aus Neumagen, heran, stellen aber auch den bisher einzigen Papyrusfund aus Trier vor.
Was ist FoRuM?
Das Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz, Mayen und Neuwied, die Universität Trier und die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz haben eine Allianz geschmiedet: FoRuM – Forschungsschwerpunkt Römische Archäologie und Ma ritime Antike. Der Fokus liegt auf den Provinzen im Nordwesten des Römischen Reiches mit Trier als Zentrum und ihren kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Verbindungen in die gesamte Antike Welt unter besonderer Berücksichtigung der Schifffahrt.