Stadtgründung im 13. Jahrhundert - Kernstadt größer als gedacht
Bisher galt in der Forschung die Annahme: Rietberg wurde um 1240 als kleine Stadt beiderseits der heutigen Rügenstraße gegründet. Diese kleine Stadt nahm erst in den nachfolgenden Jahrhunderten das heutige Altstadtgebiet ein, so die Vermutung.
Nun steht aber fest, dass die um die Mitte des 13. Jahrhunderts geplant angelegte Stadt bereits von Anfang an großflächig bebaut wurde. Das deutete sich bei einer Ausgrabung 2022 in der Sennstraße 2-4 bereits an, wo um 1250 gefällte Bäume als Rohmaterial für die ältesten Brunnen identifiziert wurden, die den neu angesiedelten Bürgern Frischwasser lieferten.
Nach Aufgabe des Grabens sammelte sich in einem noch heute gut erhaltenen Holzfass das Wasser.
EggensteinExca/M. Moser
Bei der aktuellen Grabung im Klingenhagen 17-19 bestätigt sich eine Bebauung um oder bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts. Archäologin Marianne Moser leitet die Ausgrabung: "Das Bruchstück eines Kruges aus dem Töpfereizentrum Siegburg bei Bonn liefert uns den ersten sicheren Anhaltspunkt für diese frühe Datierung. Die guten Erhaltungsbedingungen für Holz werden es uns hoffentlich ermöglichen, weitere frühe Daten anhand der Jahrringe der Bäume festzumachen-im besten Fall des genaue Fälldatum der Bäume."
Neue Grundstücke in einer feuchten Senke
Doch die Neubürger am südlichen Stadtrand mussten auch einige Nachteile in Kauf nehmen: Die gesamte Grabungsfläche lag in einer feuchten Senke, in der sich flächig torfartige Sedimente ablagerten und so eine teilweise mehr als 50 Zentimeter dicke Schicht bildeten. Für Dr. Sven Spiong, Leiter der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen, steht deshalb fest: "Den Neubürgern am südlichen Stadtrand von Rietberg wurden hier Grundstücke zugeteilt, die zum Wohnen eher ungünstig waren. So mussten die Schwellen der Fachwerkhäuser teilweise auf Pfosten gelegt werden, die bis tief in den anstehenden Sand reichten."
Der unsichere Untergrund hatte noch bis in die Neuzeit Auswirkungen auf die Statik einiger Häuser. Noch im 17. Jahrhundert setzten sich Teile der Fachwerkhäuser an der Nordseite des Klingenhagen und der Sennstraße, was an manchen Häusern dort noch heute ablesbar ist.
Die Umflutung der Ems folgte möglicherweise einem älteren Flussarm. Das gesamte Gelände war vor der Stadtgründung sicher häufiger vom Emshochwasser betroffen. Der Wall der Stadtbefestigung südlich des Klingenhagens hatte somit in späterer Zeit außer seiner Verteidigungsfunktion und der als Grenze des Stadtrechts, dem die Bewohner unterlagen, auch noch einen weiteren Zweck: Hochwasserschutz.
Fluch und Segen des hoch anstehenden Wassers
Am Nordrand der Grundstücke errichtete man bald einen Graben, möglicherweise um einerseits die Fläche etwas trockener zu bekommen. Andererseits wurde das Ufer des offenen Gewässers mit Holzpfosten befestigt und als Brauchwasser genutzt. Für welche Gewerke das Wasser zum Einsatz kam, wird sich erst nach Auswertung der Grabung genauer klären lassen.
Von einem mittelalterlichen Lederschuh hat sich das Oberleder sehr gut im feuchten Untergrund erhalten.
EggensteinExca/M. Moser
Keramikfunde belegen, dass dieser Graben bereits im 14. Jahrhundert wieder verfüllt wurde. Dennoch nutzten die Familien noch weiterhin das anstehende Wasser. Das zeigen zwei gut erhaltene ineinander gestellte eingegrabene Daubenfässer. Aus einem Fass konnte noch das Oberleder eines Schuhes geborgen werden.
Mindestens ein Hausgrundriss deutet sich anhand der Spuren ehemaliger Schwellbalken als Grundlage eines Fachwerkhauses direkt nördlich des Grabenverlaufs an. Von eingetieften weiteren Holzkonstruktionen haben sich in einigen Fällen noch die Böden erhalten. Das Grabungsteam erhofft sich von weiteren Funden noch Hinweise auf die Funktion dieser Einbauten.
Meldung LWL