Zwischen Titelberg und Belginum – die Treverer

Die Treverer lebten zwischen Mittelrhein und Luxemburg. Exemplarisch für die Erforschung des Stammes sind Untersuchungen im Oppidum auf dem Titelberg mit den Prunkgräbern von Goeblingen‐ Nospelt in Luxemburg und den spätkeltischen Kultbezirken von Belginum im Hunsrück.

Rekonstruktion der großen Halle im Zentrum des Oppidums.
Rekonstruktion der großen Halle im Zentrum des Oppidums. Gleichzeitig mit der Stadtmauer entstand hier ein extra eingefriedeter Bereich, vermutlich für Volksversammlungen und Märkte.© N. Herber

Während des 3. und vor allem im 2. Jh. v. Chr. entwickelten sich Großsiedlungen in allen keltischen Gebieten von Ungarn bis England. Aufgrund der auffälligen Lage und der Befestigungen wurde lange die Funktion der Oppida als leicht zu verteidigender Platz in den Vordergrund gestellt; heute sieht man die ersten Städte im nichtmediterranen Raum eher im Zusammenhang mit der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Struktur der keltischen Völker. Am besten erforscht sind Zavist in Tschechien, Manching in Bayern, Bibracte (Mont Beuvray) in Burgund und nicht zuletzt der Titelberg in Luxemburg.

Zentrum eines keltischen Stammes

Die Geomorphologie des Titelbergs begünstigt großflächige Ausgrabungen: das verhältnismäßig flache Plateau, das seit Jahrhunderten bewirtschaftet wird und kaum bewaldet ist und sehr gute Voraussetzungen für geophysikalische Prospektionen wie Magnetik, Elektrik oder Luftbildarchäologie bietet. Negativ dagegen wirkt sich die Tatsache aus, dass der eisenerzhaltige Untergrund seit den 1860er-Jahren durch ein mehrstöckiges Netz von unterirdischen Stollen ausgebeutet wurde. Einbrechende Abschnitte reißen tiefe Risse in die geologische und archäologische Stratigrafie. Trotzdem erlaubten systematische Prospektionen, eine Forschungsstrategie zu erarbeiten und einen ersten Schwerpunkt der Untersuchungen auf die öffentlichen Einrichtungen der keltischen Stadt zu legen. In der Folge wurde ein Programm zur zukünftigen Erforschung der Siedlungsstrukturen erarbeitet. Fünf aufeinanderfolgende Befestigungsphasen konnten nachgewiesen werden. Die vierte Phase bildet ein »murus Gallicus«: eine Holz-Erde-Mauer aus einem Holzgerüst und einer Auffüllung aus Erde und Steinen sowie einer Frontmauer aus Bruchsteinen des kalkigen Untergrunds umgab auf einer Länge von 2,7 km die gesamte Hochfläche.

Die Mauer wurde während der Blütezeit des Oppidums in der ersten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. wahrscheinlich von mehreren Tausend Arbeitern errichtet. Zwei Tore sind heute noch im massiven Wall erhalten. Gleichzeitig mit dieser mächtigen Stadtmauer wurde im Innern ein etwa 10 ha großer Bereich durch einen Graben sowie eine Mauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln von der Siedlungsfläche abgetrennt. Hier hielten die Treverer ihre großen Volksversammlungen ab – wahrscheinlich gleichzeitig mit Märkten, vor allem Viehmärkten. Um 50 v. Chr. wurde am gleichen Ort auf der höchsten Stelle des Plateaus eine große, offene Halle errichtet, deren Dach die Wohnhäuser überragte. Sie diente wahrscheinlich sowohl politischen als auch religiösen Zwecken. An die religiöse Tradition knüpft ein großer Umgangstempel an, der hier in römischer Zeit erbaut wurde.

Römisches Emporium im keltischen Oppidum

In der westlichen Hälfte des Oppidums wurde gegen 80 / 70 v. Chr. eine Anlage mit vier Seitenflügeln um einen großen Innenhof errichtet. Scherben von Hunderten von Amphoren und anderen Importen aus dem Mittelmeerraum belegen, dass hier italische Händler ein Handelskontor gegründet hatten – sicherlich infolge eines Abkommens mit den einheimischen treverischen Potentaten. Die Eroberung Galliens durch Julius Caesar hat keine Spuren auf dem Titelberg hinterlassen. Im Gegenteil – das zivile römische Emporium wurde gegen Ende des Gallischen Krieges zu einer Versorgungsbasis des römischen Militärs ausgebaut. Errichtet wurde eine zweite Anlage mit Innenhof und Seitenflügeln, in der Handwerker Waffen und anderes Gerät für die römischen Truppen herstellten, die auch nach der Phase der Eroberung in Gallien stationiert blieben. Diese militärischen Anlagen wurden bis zum Aufstand der Treverer von 30 / 29 v. Chr. genutzt. Erst dann fielen sie einem Feuer zum Opfer. Ab diesen Zeitpunkt verlor das Oppidum auf dem Titelberg langsam an Bedeutung. Trier wurde die neue Hauptstadt der Treverer. | J. Metzler, C. Gaeng

Menschen vom Titelberg – kein leichtes Leben

In der Spätlatenezeit wird auf den Gräberfeldern der Treverer fast ausschließlich brandbestattet. Daher ist über den Gesundheits- bzw. Krankheitszustand dieser Menschen wenig bekannt. Unverbrannt bestattete man vorwiegend Feten und Neugeborene. Eine Ausnahme bilden Bestattungen oder Knochendeponierungen, die man gelegentlich in Oppida findet. Auf dem Titelberg wurden 24 einzelne Schädelteile und 18 weitere Fragmente des Skeletts gefunden. Hinzu kommt die Bestattung eines jungen Mannes. Die Knochenerhaltung ist aufgrund des Kalksteinuntergrunds ausgezeichnet. Das in einer Bronzewerkstatt gefundene Stirnbeinfragment eines Neugeborenen weist Spuren einer meningealen Reizung auf. Das Scheitelbein eines anderen Säuglings zeigt ein epidurales Hämatom. Außerdem besteht bei beiden der Verdacht auf eine Nahtzerrung, wobei es während oder nach der Geburt zu Einblutungen auf der Schädelinnenseite gekommen ist.

Bestattung eines 19 bis 23 Jahre alten Mannes auf dem Titelberg. Möglicherweise hatte man dem jungen Mann den Schädel eingeschlagen.
Bestattung eines 19 bis 23 Jahre alten Mannes auf dem Titelberg. Möglicherweise hatte man dem jungen Mann den Schädel eingeschlagen. J. Metzler

Eine gut erhaltene Bestattung eines reifen Fetus aus römischem Kontext zeigt ähnliche krankhafte Veränderungen. Diese sind in Vorgeschichte und Antike nicht ungewöhnlich und stehen wohl mit Geburtskomplikationen in Verbindung. Aus dem Bereich des römischen Handelskontors des Titelbergs stammt die Bestattung eines 19 bis 23 Jahre alten Mannes. Sein Schädel wirkt wie eingeschlagen, doch ist der Befund nicht eindeutig. Auf dem Hinterhaupt ist ein kleiner gutartiger Knochentumor erkennbar, wie ihn heute etwa jeder Vierte hat. Er litt an einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen sowie der Warzenfortsätze. Charakteristische Knochenneubildungen auf den Zahnfachrändern und den Langknochen weisen auf Mangel an Vitamin C, also Skorbut. Für starke körperliche Belastung in jungen Jahren sprechen leichte Arthroseder großen Körpergelenke und der Lendenwirbel sowie die Ausbildung von so genannten Schmorlschen Knorpelknoten.

Letztere wären eher in einem höheren Alter zu erwarten. Übermäßige Beanspruchung der oberen Extremität ist auch durch Sehnenausrisse an beiden Oberarmknochen und den Schlüsselbeinen erkennbar. Der Oberkiefer eines 35 bis 45 Jahre alten Individuums zeigt Zahnstein, Parodontopathien, Karies und zwei Abszesse, fünf Zähne gingen zu Lebzeiten verloren. Entzündungen der Kiefer- und Nasenhöhle sowie des Harten Gaumens sind ebenfalls vorhanden. Eine Stirnhöhlenentzündung ließ sich an einem weiteren Schädelfragment nachweisen. Möglicherweise wurden derartige Erkrankungen durch das Herdfeuer gefördert. Die kariösen Defekte sind ein Hinweis auf Konsum von Kohlenhydraten wie Brot oder Getreidebrei und mangelhafte Zahnhygiene. Stress in der Kindheit, nachweisbar als Zahnbildungsstörung, betraf alle untersuchten Individuen. Diese sind erhaltungsbedingt am Leichenbrand meist nicht nachweisbar. Die Säuglingsknochen stellen vermutlich Reste von regulären Bestattungen im Siedlungsbereich dar, wie sie typisch für die Eisenzeit sind. | W.-R. Teegen

Zahnbildungsstörungen am Unterkiefer des jungen Mannes (Pfeile) weisen auf Krankheiten im Alter zwischen drei und sechs Jahren hin.
Zahnbildungsstörungen am Unterkiefer des jungen Mannes (Pfeile) weisen auf Krankheiten im Alter zwischen drei und sechs Jahren hin. W. - R. Teegen

Ahnenkult bis in die Kaiserzeit

Die keltischen Bewohner wurden in ausgedehnten Gräberfeldern an den Ausfallstraßen des Oppidums in Brandgräbern beigesetzt. Die komplexen Riten konnten bei Ausgrabungen im Gräberfeld von Lamadelaine am Westhang des Titelbergs erforscht werden. Von großer Bedeutung war zudem die Ausgrabung von mehreren Grabkammern von Vertretern der spätkeltischen Aristokratie, die auf großen landwirtschaftlichen Gütern um den Titelberg lebten. Die älteste Adelsbestattung wurde auf einer dem Titelberg gegenüberliegenden Höhe unweit des heutigen Dorfes Clemency untersucht. Die Ländereien des Großgrundbesitzers, der hier gegen 70 v. Chr beigesetzt wurde, liegen auf reichen Bohnerzvorkommen, die in spätkeltischer Zeit ausgebeutet wurden und den Reichtum der Gegend begründeten. Grabräuber hatten die Holzkammer schon kurz nach der Bestattung aufgebrochen und geplündert. Viele Gefäßbeigaben und Reste von zehn Weinamphoren unterstreichen den Wohlstand des Toten.

Pfostengruben, Keller, Silos, Wandgräbchen: Der Bereich des römischen Emporiums und der römischen militärischen Anlagen war sehr dicht bebaut.
Pfostengruben, Keller, Silos, Wandgräbchen: Der Bereich des römischen Emporiums und der römischen militärischen Anlagen war sehr dicht bebaut. A. Biwer

In etwas größerer Entfernung vom Titelberg zwischen den Ortschaften Goeblingen und Nospelt wurden schon in den 1960er-Jahren die Grabkammern von vier männlichen Vertretern einer Adelsfamilie untersucht. Wie die reichen Beigaben vor allem der beiden spätesten Gräber zeigen, wurden hier Treverer bestattet, die, wie unter anderem ein römischer Gladius zeigt, der romfreundlichen Elite angehörten. Unerwartet waren Erkenntnisse, die im Jahre 1993 bei Ausgrabungen in der Grabkammer einer Frau gewonnen wurden, die zweifelsohne in einem familiären Verhältnis zu den bewaffneten Männern stand. Diese Frau verstarb gegen 15 v. Chr. Durch spätere Deponierungen von Münzen auf dem Grabhügel über der Kammer konnte nachgewiesen werden, dass hier ein regelrechter Ahnenkult über 100 Jahre bis in die mittlere römische Kaiserzeit praktiziert wurde. Erst dann fiel die Holzkammer unter dem Druck der Erdaufschüttungen des Tumulus zusammen. In die so entstandene Mulde legte man zwei Statuetten von Muttergottheiten aus Terrakotta und beendete mit dieser Deponierung diesen Ahnenkult. | J. Metzler, C. Gaeng

Eine Grabkammer aus Goeblingen-Nospelt im Nationalmuseum für Geschichte und Kunst in Luxemburg: So präsentierte sich die spätkeltische Aristokratie im Tod.
Eine Grabkammer aus Goeblingen-Nospelt im Nationalmuseum für Geschichte und Kunst in Luxemburg: So präsentierte sich die spätkeltische Aristokratie im Tod.

Spätkeltische Wurzeln in den Kultbezirken von Belginum

Die antike Fundstätte Belginum im Hunsrück ist bekannt durch das keltisch-römische Gräberfeld und den in der römischen Straßenkarte »Tabula Peutingeriana« verzeichneten Vicus Belginum. Forschungen zur Romanisierung im Mittelgebirgsraum und durch Straßenbau verursachte Ausgrabungen seit 1995 brachten für den Vicus am antiken Fernweg von Trier nach Mainz völlig neue Erkenntnisse zur Genese der Heiligtümer und zur Entwicklung der sakralen Architektur. Befunde und Funde aus der Siedlung, den drei Tempelbezirken und dem inschriftlich belegten Kulttheater im Westen des Vicus vermittelten stets das Bild, dass die Heiligtümer gleichzeitig mit dem Vicus im 1. Jh. n. Chr. entstanden seien. Die jüngsten Grabungsergebnisse in Tempelbezirk 3 und eine neue Sichtweise auf zuvor nicht interpretierbare Strukturen in Tempelbezirk 2 brachten jedoch überraschende Erkenntnisse. Die Anlagen reichen bis weit in die vorrömische Zeit zurück. Von Bedeutung ist die Frage, wie und in welcher Form sich die Kultplätze vom Naturheiligtum zu architektonisch gestalteten Heiligtümern entwickeln. Gerade Naturheiligtümer wie Bäche (Altbachtal in Trier), Quellen (Hochscheid und Heckenmünster, Kreis Bernkastel- Wittlich), bizarre Felsen oder Steinformationen, auch Gruben oder Pfostenlöcher entziehen sich ohne Fundmaterial einer Zuweisung als Kultort. Quarzit spielt in den Tempelbezirken 2 und 3 von Belginum eine große Rolle.

Zwei Tempelbezirke von Belginum. Links im Vordergrund achteckiger Holzbau im Tempelbezirk 3, Rekonstruktion.
Zwei Tempelbezirke von Belginum. Links im Vordergrund achteckiger Holzbau im Tempelbezirk 3, Rekonstruktion. ARGO Edutainment Solutions / S. Schmitz

Zwar dominieren im Gesamtbild der Tempelbezirke die Fundamente groß dimensionierter Umgangstempel, doch sind die Anfänge der Kultstätten bereits im 3. Jh. v. Chr. zu sehen. Im östlichen Raum des Tempelbezirks 3 ist ein Steinkreis von 20 m Durchmesser nachzuweisen, große Quarzitbrocken sind nachweislich intentionell in der Art von Menhiren kreisförmig angeordnet. Nördlich des Steinkreises entstand etwa um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. ein oktogonaler Bau von etwa 7 m im Durchmesser. Reste von dunklen Fasern belegen Holzbauweise, Spuren von Rot eingefärbtem Lehm weisen möglicherweise auf einen Farbanstrich der Wände. Mehrere Potinmünzen und Keramik unterstützen einen spätlatenezeitlichen Zeitansatz. Auch in Tempelbezirk 2 sind die Quarzite in einem ähnlichen Kontext zu interpretieren. Unter der Cella des Umgangstempels wurden zwei runde, in den anstehenden Boden eingetiefte Gruben von 0,7 m bzw. 1 m Durchmesser beobachtet, einschließlich inkohlter Spuren von Holzpfosten. Die Wandscherbe eines handgemachten Gefäßes auf der Sohle der größeren Pfostengrube gehört in vorrömische Zeit. In unmittelbarer Nähe lagen große Quarzitfindlinge, die an der antiken Oberfläche sichtbar waren. Einer der Quarzite wies Spuren intensiver Hitze auf. Die verflüssigte Eisenluppe der feinen Eisenadern überzog wie eine Haut die Steinoberfläche. Aus nördlich beobachteten Segmenten zweier zeitlich unterschiedlicher Umfassungsgräben stammt mittel- und spätlatenezeitliches Material. Die Tempelbezirke 2 und 3 sind in ihren Anfängen als offene Kultbezirke ohne sakrale Architektur zu sehen. An allen Kultstätten ist das vorgeschichtliche Fundmaterial zahlenmäßig gering. Tierknochen oder andere organische Materialien fehlen ebenso wie Hinweise auf die dort verehrten Gottheiten. Die Kultstätten von Belginum liegen an der antiken, bereits vorrömischen Straßenführung. Der Sichtbezug zum etwa 1,5 km östlich liegenden Gräberfeld ist evident.

Im Tempelbezirk von Belginum wurde 2014 ein achteckiger Holzbau freigelegt.
Im Tempelbezirk von Belginum wurde 2014 ein achteckiger Holzbau freigelegt. M. Schrickel

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