Das Grab des DjerEin Friedhof im Friedhof

Das Grab des Djer (um 3030 v. Chr.), eines Königs der frühen 1. Dynastie, stellt eine monumentale Anlage mit Hauptgrab und Hunderten von Nebengräbern dar, die zusammen einen eigenen Friedhof innerhalb der frühzeitlichen Königsnekropole von Abydos ausmachen. Die Architektur dieses gewaltigen Königsgrabes liefert tiefe Einblicke in verschiedene bautechnische Innovationen zu Beginn der pharaonischen Geschichte.

Grabanlage des Königs Djer mit der von Nebengräbern umgebenen Königskammer.
Abb. 2 Grabanlage des Königs Djer mit der von Nebengräbern umgebenen Königskammer.© Fotos: F. Barthel © DAI

König Djer, der dritte Herrscher der 1. pharaonischen Dynastie (ca. 3050–2900 v. Chr.), ließ in Umm el-Qa’ab, dem Bestattungsort seiner Vorfahren, auch seine Grabanlage errichten. Zur Bauzeit bildete sie den südwestlichen Abschluss der frühzeitlichen Könignekropole (vgl. Beitrag Köhler Einführung, S. 10). Durch Anlage weiterer Königsgräber bis zum Ende der 2. Dynastie (ca. 2900–2700 v. Chr.) und der hiermit einhergehenden Ausdehnung der Nekropole nach Südwesten rückte das Grab des Djer ins Zentrum der Nekropole. Dem Grab des Djer fällt unter den Königsgräbern von Umm el-Qa’ab eine besondere Rolle zu, da es seit dem späten Alten Reich (um 2500 v. Chr.) als Be- stattungsort des Gottes Osiris galt und in diesem Kontext Kulthandlungen bis in das spätantike 6. Jh. n. Chr. durchgeführt wurden.

Wie die überwiegende Zahl der anderen Königsgräber von Umm el-Qa’ab wurde auch die Grabanlage des Djer bereits an der Wende vom 19. zum 20. Jh. zunächst durch den Franzosen Émile Amélineau und kurz danach nochmals durch den britischen Archäologen W. M. Flinders Petrie ausgegraben. Zum Zeitpunkt dieser Grabungen war noch wenig über die Anfänge und Frühzeit der pharaonischen Kultur bekannt, und großes wissenschaftliches und öffentliches Interesse führte dazu, dass Fundobjekte sowie Bestattungen aus den Gräbern entfernt wurden. Im Zuge dessen wurden insbesondere beschriftete und vollständig erhaltene Stücke nach teils sehr rasch angefertigten Dokumentationen in internationale Museen und Sammlungen überführt. Bei Nachuntersuchungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo (DAI) konnten trotz dieser nicht einfachen Ausgangslage neue Erkenntnisse über das Königsgrab gewonnen werden.

Djer als früher Herrscher Ägyptens

Nach pharaonischen und antiken Quellen war Djer der dritte Herrscher Ägyptens der 1. Dynastie, einem Königsgeschlecht, das seine Residenzstadt im oberägyptischen Thinis unweit von Abydos hatte. Anhand der Quellen kann für Djer eine ungewöhnlich lange Regierungszeit von über 30 Jahren angenommen werden. Funde und Inschriften belegen ein gut organisiertes Staatswesen und ein über die Grenzen Ägyptens hinausreichendes Handelsnetzwerk. Inschriften aus der Regierungszeit des Djer finden sich außerhalb des ägyptischen Herrschaftsbereichs sowohl auf dem Sinai im Norden als auch im Süden am zweiten Nilkatarakt bei Khartum im heutigen Sudan. Weitere Funde belegen einen regen Austausch von Waren und Gütern mit dem östlichen Mittelmeerraum im Gebiet des heutigen Libanon und nach Süden bis weit in den afrikanischen Kontinent hinein.

Das Königsgrab von Umm el-Qa’ab

Wie andere Grabanlagen von Herrschern der 1. Dynastie besteht auch das Grab des Djer aus einer monumentalen Kammer für die königliche Bestattung, der räumlich deutlich kleinere Gräber zugeordnet sind (Abb. 1. 2). Diese auch als Nebengräber bezeichneten Anlagen waren für Bestattungen von Angehörigen der königlichen Familie und des Hofstaates vorgesehen. Die Anlage des Djer ist die größte ihrer Art in ganz Ägypten: Sie verfügt auf einer Grundfläche von etwa 3000 m2 über insgesamt 330 Nebengräber und bildet somit eine Königsnekropole für sich. Das Prinzip solcher Königsnekropolen wird von den Djer nachfolgenden Herrschern der 1. Dynastie sowie auch in späteren Phasen der pharaonischen Kultur beibehalten, wie z. B. im Falle der großen Pyramiden von Gizeh (ca. 2600–2400 v. Chr.). Hier ist das Königsgrab, also die Pyramide, jeweils von weiteren Gräbern und Friedhöfen für die Familie des Herrschers und hochrangige Personen des Staatswesens aus der Regierungszeit des Pharaos umgeben.

Abb. 1 Gesamtplan der Grabanlage des Königs Djer (um 3030 v. Chr.) der frühen 1. Dynastie mit Nebengräbern.
Abb. 1 Gesamtplan der Grabanlage des Königs Djer (um 3030 v. Chr.) der frühen 1. Dynastie mit Nebengräbern. Grafik: M. Sählhof © DAI

Beim Grab des Djer in Umm el- Qa’ab wurden die Nebengräber in Reihen zusammengefasst und als bauliche Einheiten von der Königskammer abgesetzt, sodass das eigentliche Königsgrab erstmals allseitig von Nebengräbern umgeben wurde. Die Grabanlage seines Vorgängers, Hor-Aha, verfügte noch über eine lineare Aufteilung, bei der sich die königliche Bestattungskammer im Westen, die Nebengräber im Osten befanden (vgl. Beitrag Köhler Einführung, S. 10). Die Nähe zum König war offenbar für die bestatteten Personen von Bedeutung und spiegelte ihre soziale Stellung wider. So wurden unmittelbar östlich der Königskammer des Djer weibliche Personen, eventuell Gemahlinnen des Herrschers und Prinzessinnen, beigesetzt. Die Bestattungen wurden in Holzsärgen vorgenommen, von denen trotz der frühen Grabungen Amélineaus und Petries bei den jetzigen Nachuntersuchungen des DAI noch Fragmente, hauptsächlich Sargböden in situ dokumentiert werden konnten (Abb. 3).

Boden eines Holzsarges in einem der Nebengräber des Königs Djer.
Abb. 3 Boden eines Holzsarges in einem der Nebengräber des Königs Djer. Foto: M Sählhof © DAI

Als Beigaben wurden den Verstorbenen Alltagsgegenstände, aber auch aufwendig dekorierter Schmuck oder Waffen mitgegeben (Abb. 4. 5). Diese Funde lassen auf einen bereits früh ausgeprägten Jenseitsglauben schließen, sodass die Verstorbenen in ihren Gräbern mit Gegenständen und Nahrung für das Jenseits versorgt wurden. Gefäße aus Keramik und farbigem Naturstein enthielten oft kostbare Flüssigkeiten wie Wein und Öl, aber auch pflanzliche Harze und tierische Fette, die zum Teil aus weit entfernten Regionen importiert wurden (Abb. 6). Nach der Bestattung hat man die Gräber mit flachen Holzbalkendecken verschlossen und darauf beschriftete Stelen aufgestellt, die Namen und auch Angaben zu Rang und Funktion der beigesetzten Person enthielten. Hier konnten Rituale für die Verstorbenen durchgeführt und Opfergaben abgelegt werden, um so ihr Weiterleben im Jenseits zu garantieren.

Pfeilspitze aus Bergkristall.
Abb. 4 Pfeilspitze aus Bergkristall. Fotos: F. Barthel © DAI
Scheibenperlen aus Fayence.
Abb. 5 Scheibenperlen aus Fayence. Fotos: F. Barthel © DAI
Nach der Ausgrabung zusammengefügte Vorratsgefäße aus Keramik.
Abb. 6 Nach der Ausgrabung zusammengefügte Vorratsgefäße aus Keramik. Fotos: F. Barthel © DAI

Bautechnische Innovationssprünge

Die Königskammer des Djer ist unter verschiedenen Aspekten bemerkenswert, da sich hier die bauhistorische und bautechnische Entwicklung der Gräber von Umm el-Qa’ab in der Zeit der frühen 1. Dynastie fassen lässt. Bautypologisch handelt es sich hierbei um Kammergräber mit rechteckigem Grundriss, die aus luftgetrockneten Lehmziegeln in zuvor ausgehobenen Baugruben errichtet wurden (Abb. 7). Das Mauerwerk reichte dabei nicht oder nur wenig über den anstehenden Boden des umliegenden Geländes hinaus. Auf den tragenden Wänden wurden über die jeweils kürzeren Spannweiten dicht aneinander Holzbalken aufgelegt. Über hierauf ausgebreitetem Flechtwerk aus Stroh oder Schilf wurden eine oder mehrere Ziegellagen als oberer Abschluss der Flachdecken versetzt.

Königskammer des Djer, Blick nach Nordwesten.
Abb. 7 Königskammer des Djer, Blick nach Nordwesten. Fotos: F. Barthel © DAI

Ein besonderes Merkmal der Königskammern von Umm el-Qa’ab sind zusätzliche, in die gemauerten Gräber eingestellte Holzkammern, die sich in anderen Gräberfeldern und Fundplätzen gleicher Zeitstellung in ähnlichem Umfang nicht erhalten haben. Vorläufer dieser Kammern lassen sich im prähistorischen U-Friedhof beobachten, wo wiederholt Böden und Innenwände von Ziegelgräbern mit Holz ausgekleidet wurden. Aber erst in der Regierungszeit des Hor-Aha und seines Nachfolgers Djer ergab sich bei einer gleichzeitigen Monumentalisierung der Königskammern die Notwendigkeit, neue bautechnische Lösungen zu entwickeln. In den im Vergleich zu älteren Gräbern des U-Friedhofs bereits größeren Grabkammern des Hor- Aha wurden hierzu Holzpfosten in den Kammerboden eingelassen, um die größere Spannweite der Holzbalkendecke zu unterstützen. Gleichzeitig wurden zwischen den Pfosten Holzbretter angebracht, um so eine vollständig mit Holz ausgekleidete Bestattungskammer zu schaffen. Dieses Konstruktionsprinzip wurde in der wiederum in ihrer Größe gesteigerten Königskammer des Djer abgewandelt. Hier wurden nun die Pfosten nicht mehr direkt im Boden verankert, sondern in horizontal ausgelegte Holzbalken eingezapft. Zur Stabilität wurden die Pfosten auch an ihrem oberen Ende von Holzbalken zusammengehalten, sodass eine Konstruktion entstand, die dem historischen Fachwerkbau Mitteleuropas nicht unähnlich gewesen ist. Wie im Vorgängerbau des Hor-Aha wurden auch im Grab des Djer zwischen den Pfosten Holzbretter eingebracht und der Boden vollständig mit einem Dielenbelag versehen.

Die nun allseitig geschlossene Holzkammer wurde dreiseitig mit Lehmziegelmauern abgestützt, die der Holzkonstruktion eine höhere Stabilität verliehen. Hierdurch entstanden um die Holzkonstruktion als Bestattungsort zusätzliche Räume, die zur Aufbewahrung von Grabbeigaben genutzt wurden. Bodenbefunde in diesen Bereichen zeigen Abdrücke und zum Teil auch in situ erhaltene Fragmente von großen Vorratsgefäßen, die hier untergebracht waren. Gleichzeitig dienten die Trennwände auch dazu, die Spannweite für die Holzbalkendecke des Königsgrabs zu verringern, indem die Balken auf einer unteren Deckenebene dieser Kammern aufgelegt wurden. Diese innovative Bautechnik belegt bereits für das frühzeitliche Ägypten einen hohen Kenntnisstand in der Zimmerertechnik. So konnte die Grabkammer mit einer bislang unerreichten Spannweite von etwa 9 m eingedeckt werden. Da geeignetes Bauholz für diese aufwendige Konstruktion in Ägypten nicht verfügbar war, wurden Balken und andere Bauteile aus qualitativ hochwertigem Zedernholz aus dem Libanongebirge antransportiert.

Brand und Zerstörung

Die umfangreiche Verwendung von Holzbauteilen wurde dem Grab jedoch zum Verhängnis: Bei einem Feuer wurde der Großteil der Holzkonstruktion vernichtet. Die durch den Brand entstandene Hitze ließ die luftgetrockneten Lehmziegel teilweise in ihrer gesamten Mauerwerksstärke nachträglich rot verziegeln, im Grab gelagerte brennbare Substanzen wie Öle und Fette wirkten hierbei wie Brandbeschleuniger (Abb. 8). Am Gebäude sind diese sekundär gebrannten Ziegel farblich von den gräulichen, unverbrannten Lehmziegeln gut zu unterscheiden. Zu erkennen ist auch, dass die Holzkonstruktion des Grabes während des Feuers in weiten Teilen strukturell noch intakt gewesen ist und erst in Folge des Brandes einstürzte. Diese Befundlage lässt den Schluss zu, dass der Brand zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben muss, der nicht zu weit nach der baulichen Vollendung des Grabes lag. Da auch andere Königsgräber der 1. Dynastie in Umm el-Qa’ab von Feuer betroffen waren, die beiden Gräber der späten 2. Dynastie jedoch nicht, erscheint als möglicher Zeitpunkt des Brandes die frühe 2. Dynastie plausibel. In der Forschung wird für diese Zeit eine Phase politischer Instabilität angenommen, in deren Kontext die Gräber der 1. Dynastie in Umm el-Qa’ab gezielt in Brand gesteckt wurden.

Nachträglich durch Brand verziegeltes Mauerwerk in der Königskammer des Djer.
Abb. 8 Nachträglich durch Brand verziegeltes Mauerwerk in der Königskammer des Djer. Foto: G. Dreyer © DAI

Gab es einen Oberbau?

Bei den Nachuntersuchungen des DAI konnten keine massiven baulichen Strukturen eines über der Grabkammer errichteten Gebäudes dokumentiert werden, das gleichermaßen als Kultstelle für den verstorbenen König wie auch als sichtbare Markierung des Grabes hätte dienen können. Die seit den Grabungen Amélineaus und Petries in der Forschung diskutierte Annahme eines Oberbaus in Form eines kubischen Gebäudes bestätigte sich somit nicht. Vielmehr lässt die anhand baulicher Befunde rekonstruierte Holzbalkendecke auch keine große Lasteinwirkung zu, sodass allenfalls eine niedrige Aufschüttung von losem Material aus dem Aushub der Baugrube angenommen werden kann. Wie bei den Nebengräbern wurde die Kultstelle allerdings mit zwei Stelen markiert, die mit Namen und Herrschersymbolen des Königs Djer beschriftet waren.

Nachnutzung durch den Osiriskult

Bei der ersten archäologischen Freilegung der Königskammer fand Amélineau an deren Boden eine Skulptur aus schwarzem Hartgestein, die sich heute im Ägyptischen Museum Kairo befindet. Sie zeigt den Totengott Osiris in Mumienform auf einer Bahre liegend, auf ihm sitzt die Göttin Isis als Sperberweibchen beim Zeugungsakt des Gottes Horus. Diese Plastik diente als Kultbild des Osiris und wird nach neuesten Forschungsergebnissen in die 13. Dynastie (ca. 1700 v. Chr.) datiert. Bereits einige Jahrhunderte zuvor entstand in Abydos eine rege Kulttätigkeit für Osiris, wobei Prozessionen nach Umm el- Qa’ab zogen, um dort im Grab des Djer rituelle Handlungen zu vollziehen. Das Grab selbst war nach religiöser Vorstellung der Bestattungsort des Osiris; dass es ursprünglich für einen frühzeitlichen Herrscher errichtet worden war, spielte keine Rolle mehr.

Die Nachuntersuchungen des DAI ergaben, dass nur wenige bauliche Veränderungen im Zusammenhang mit dem Osiriskult am Grab des Djer vorgenommen wurden. Nun war es als heilige Stätte sakrosankt, und nur mit minimalen, sehr behutsam ausgeführten Eingriffen wurde die Bausubstanz zur Durchführung von Kulthandlungen verändert. Die durch den Brand zerstörte Decke wurde nicht wieder errichtet, sodass, von möglichen Installationen in Leichtbauweise abgesehen, das Grab in seinem ruinösen Zustand verblieb. Eine vor der Westwand eingebaute Treppe schuf die Möglichkeit, in das Grab hinabzusteigen, wo das Kultbild des Osiris aufbewahrt wurde. Beeindruckende Überreste des Osiriskults sind kleine Opfergefäße (arabisch: qa’ab), die in unzähligen Exemplaren um das Osirisgrab abgelegt wurden und namensgebend für die Nekropole von Umm el- Qa’ab wurden.

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