Wie Dr. Mohamed Ismail Khaled, der Generalsekretär des Obersten Rates für Altertümer in Ägypten, mitteilte, handelt es sich hierbei um eines der beiden erhaltenen und identifizierten Sonnenheiligtümer der 5. Dynastie. Den Forschern ist es erstmals gelungen, mehr als die Hälfte der Anlage freizulegen. Das rund 1.000 Quadratmeter große Bauwerk beeindruckt durch seinen ungewöhnlichen Grundriss und zählt zu den größten und bedeutendsten Taltempeln der Nekropole von Memphis.
Bereits im Jahr 1901 hatte der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt den Standort identifiziert. Ein hoher Grundwasserspiegel und schwierige geologische Bedingungen verhinderten jedoch damals eine genauere Erforschung. Erst jetzt können die Archäologinnen und Archäologen systematisch vordringen.
Einblicke in Architektur und Aufbau
Bei den jüngsten Arbeiten kamen der Tempeleingang und der ursprüngliche Bodenbelag zum Vorschein, die unter einer 1,20 Meter dicken Schicht aus Nilschlamm verborgen waren. Neben einem Kalksteinsockel für eine Säule entdeckte das Team auch Reste einer massiven Granitsäule, die vermutlich den Haupteingang markierte.
Zudem wurden Teile der ursprünglichen Steinverkleidung sowie Granit-Türstürze und -rahmen freigelegt, die noch an ihren originalen Positionen im Tempel standen. Diese Elemente zeugen von der Präzision, mit der die ägyptischen Baumeister den monumentalen Bau geplant hatten.
Hinweise auf Nebeneingänge und eine Verbindung zum Nil
Bereits in der vorherigen Grabungssaison hatte Nuzolos Team im Nordwesten des Tempels ein vollständig erhaltenes Quarzit-Tor und eine Innentreppe entdeckt, die zur Oberfläche führte. Beides deutet auf einen Nebeneingang hin. In der aktuellen Saison stießen die Forschenden zudem auf einen Hang, der den Tempel vermutlich mit dem Nil oder einem seiner Nebenarme verband. Dieses Detail bestätigt den baulichen Stil der Sonnentempel der Fünften Dynastie.
Funde erzählen vom Kult und Alltag
Neben architektonischen Details brachte die Mission auch eine Reihe faszinierender Kleinfunde ans Licht. Besonders bemerkenswert sind zwei hölzerne Spielfiguren des altägyptischen Brettspiels Senet, das als Vorläufer des modernen Schachs gilt.
Ein weiterer herausragender Fund ist ein massiver Steinsturz mit Hieroglypheninschriften, der einen religiösen Festkalender sowie den Namen von König Niuserre trägt. Fragmente von fein gearbeitetem Kalkstein mit Inschriften sowie zahlreiche Keramikstücke aus der Zeit zwischen dem späten Alten und dem frühen Mittleren Reich liefern weitere Hinweise auf die Nutzungsgeschichte des Ortes.
Vorläufige Analysen deuten darauf hin, dass der Tempel nach dem Ende seiner Funktion als königliche Kultstätte während der Ersten Zwischenzeit umgenutzt wurde. Er diente offenbar als kleine Wohnsiedlung, bewohnt von der lokalen Bevölkerung. Diese Entdeckung eröffnet neue Perspektiven auf den Alltag in der Region Memphis während einer wenig dokumentierten Epoche der ägyptischen Geschichte.
Blick in die nächste Grabungssaison
Die italienische Mission plant, die Arbeiten in den kommenden Jahren fortzusetzen, um weitere Teile des Tempels freizulegen und seine Entwicklungsgeschichte zu rekonstruieren. Ziel ist es, das Verständnis der Ursprünge und der Funktion der Sonnentempel des Alten Ägypten entscheidend zu erweitern – und vielleicht noch verborgene Kapitel der Herrschaft König Niuserres ans Licht zu bringen.
Meldung Ministerium für Tourismus und Altertümer Ägypten