Feuer, Ton und Organisation: Wie eine eisenzeitliche Töpferwerkstatt das Leben im Zagros neu beleuchtet

In der kurdischen Autonomen Region Irak im Zagrosgebirge gibt eine eisenzeitliche Töpferwerkstatt im Dinka-Siedlungskomplex faszinierende Einblicke in Technik, Organisation und Alltagskultur des Handwerks der Eisenzeit. Die Funde zeigen, wie präzise und gemeinschaftlich die Produktion von Keramik bereits vor über 2.500 Jahren organisiert war.

Luftaufnahme einer archäologischen Ausgrabungsstätte in einer trockenen, kargen Landschaft. Die Ausgrabung zeigt mehrere rechteckige und quadratische Gruben und Fundamente, die durch Steinmauern voneinander abgegrenzt sind. Einige der Gruben sind mit Steinen ausgelegt, andere sind leer. Im Hintergrund ist eine unbefestigte Straße zu sehen, auf der eine einzelne Person steht. Die Umgebung ist überwiegend sandig und vegetationsarm.
© Andrea Squitieri

Keramik zählt zweifellos zu den wichtigsten archäologischen Quellen – sie ist meist das beständigste Zeugnis vergangener Kulturen. Doch während Gefäße und Scherben seit Langem im Mittelpunkt archäologischer Forschung stehen, blieb der Herstellungsprozess selbst oft im Schatten. Eine aktuelle Studie von Forschern der Universität Tübingen und der LMU München rückt nun den gesamten Produktionszyklus ins Zentrum der Aufmerksamkeit – vom Rohmaterial Ton bis zum fertig gebrannten Gefäß. Der Schauplatz: die außergewöhnlich gut erhaltene Töpferwerkstatt im Dinka-Siedlungskomplex (DSC) in der Ebene von Peschdar.

Karte mit topografischer Darstellung einer Region, die Gebirgszüge und Täler zeigt. Beschriftungen markieren die Peshdar-Ebene, den Dinka-Siedlungskomplex, die Zagros-Grenze sowie die Stadt Sulaymaniyah. Oben rechts befindet sich eine kleine Übersichtskarte, die den Standort der Region im Irak zeigt, mit einer roten Markierung im Nordosten des Landes. Die Karte enthält eine Maßstabsleiste von 0 bis 20 Kilometern und eine Nordpfeil-Symbolik zur Orientierung.
Die Karte zeigt den Dinka-Siedlungskomplex in der Peshdar-Ebene. Das Gebiet befindet sich in der kurdischen Autonomen Region Irak, im Bezirk Qaladze, an der Grenze zum Iran. © Andrea Squitieri
Seit 2015 wird dort im Rahmen des Peshdar Plain Project geforscht. Die Ausgrabungen machten den DSC zu einer der am besten untersuchten eisenzeitlichen Stadtanlagen des Zagrosgebirges. Besonders die Werkstatt im Teilbereich Gird-i Bazar, datiert auf etwa 1200 bis 800 v. Chr., liefert ein seltenes und detailreiches Bild eisenzeitlicher Handwerksproduktion. Zwei Brennöfen, Produktionsabfälle und geschichtete Sedimentablagerungen blieben in ihrer ursprünglichen räumlichen Struktur erhalten.

„Da die Werkstatt so gut erhalten ist, konnten wir verschiedene Techniken kombinieren und so ein umfassendes Bild davon gewinnen, wie Töpferinnen und Töpfer in dieser Region während der Eisenzeit tatsächlich gearbeitet haben“, erklärt Dr. Silvia Amicone von der Forschungsgruppe Archäometrie der Universität Tübingen, Erstautorin der im Journal of Archaeological Science veröffentlichten Studie.

Hightech trifft auf Handwerk: Ein Blick in die Öfen der Eisenzeit

Um das technologische Wissen der damaligen Töpfer zu entschlüsseln, untersuchte das Forschungsteam sowohl die Keramiken als auch die Ofenauskleidungen, Tonmaterialien und Brennreste. Archäometrische Verfahren wie Keramikpetrographie, Röntgenbeugung (XRD), Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) und Rasterelektronenmikroskopie (REM) kamen zum Einsatz. Ergänzend trugen geoarchäologische und paläobotanische Analysen zur Rekonstruktion der Brennstoffwahl und Ofenkonstruktion bei.

Das Ergebnis: Die Gefäße zeigen zwar leichte formale Variationen – abhängig von Funktion und Nutzung – folgen jedoch einem klar strukturierten und modularen Produktionssystem. Offenbar war die Keramikproduktion innerhalb des Dinka-Siedlungskomplexes zentral organisiert, möglicherweise über ein Netzwerk mehrerer Werkstätten hinweg. Geophysikalische Untersuchungen identifizierten zudem weitere mögliche Brennöfen in der Umgebung, was die Einbindung des Töpfergewerbes in das städtische Gefüge bestätigt.

Die Brenntechniken selbst waren effizient und standardisiert: niedrige Temperaturen unter 900 Grad Celsius, oxidierende Bedingungen und kurze Brennzeiten in stehenden Öfen. „Diese Einheitlichkeit in der Herstellung deutet auf eine gemeinsame Tradition und kollektive Produktionsidentität hin“, so Amicone, „zugleich spricht sie für koordinierte Arbeitsabläufe, institutionelle Kontrolle und eine bemerkenswerte technologische Organisation – ein Maß an Komplexität, das wir für diese Epoche nicht erwartet hätten.“

Eine Werkstatt im Herzen der Stadt

Die leitende Projektarchäologin Professor Karen Radner von der LMU München betont die überregionale Bedeutung: „Der Dinka-Siedlungskomplex bietet uns die seltene Gelegenheit, zu erforschen, wie ein urbanes Zentrum der Eisenzeit im Zagros funktionierte. Die Töpferei in Gird-i Bazar zeigt, dass spezialisierte Handwerksproduktion keineswegs am Rand, sondern im Herzen der Stadt stattfand.“

Weitere Grabungen werden nun seitens der Universität Münster und unter Leitung von Professor Florian Janoscha Kreppner unternommen, um das alltägliche Leben in der Zagros-Region während der Eisenzeit noch besser zu verstehen.

Meldung Universität Tübingen

Originalpublikation:

Amicone, S., Dinckal, A., Gur-Arieh, S., Solard, B., Squitieri, A., Frencken, M., Herr, JJ., Miller, C. E., Berthold, C., Radner, K.: Assembling the Puzzle Pieces: Integrating Pottery and Kiln Analysis to Reconstruct Pyrotechnology at the Dinka Settlement Complex (Iraqi Kurdistan). Journal of Archaeological Science,https://doi.org/10.1016/j.jas.2025.106425

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