Eine Entdeckung unter Zeitdruck
1934 stießen Arbeiter bei Kanalarbeiten zufällig auf das außergewöhnliche Grab. Unter großem Zeitdruck wurde das gesamte Inventar damals binnen weniger Stunden geborgen – ein Notfund, der dennoch Weltruhm erlangte. Erst Jahrzehnte später, im Zuge der Vorbereitungen zur Landesgartenschau 2019, konnten Archäologinnen und Archäologen den Fundort erneut untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass Teile der mit rotem Ocker durchsetzten Grabgrube unangetastet geblieben waren. Diese Reste wurden als Block geborgen und unter Laborbedingungen analysiert – mit verblüffenden Ergebnissen. Nun liegen neue Erkenntnisse zu einer Fundgruppe vor, die normalerweise in Bestattungen aufgrund ihrer Vergänglichkeit nicht zu erfassen ist: Federn.
Federn als Zeichen der Macht
Federfragmente von Bad Dürrenberg A) Unidentifizierbarer Bogen-/Hakenstrahl; B) Bogen-/Hakenstrahl von einer Wasservogelfeder, wahrscheinlich Gans; c) Bogen-/Hakenstrahlen von Singvögeln; D) Bogen-/Hakenstrahl von Hühnerartigen.
© Tuija Kirkinen
Unter Leitung der finnischen Expertin Tuija Kirkinen von der Universität Helsinki konnten im Zuge mikroskopischer Untersuchungen Strukturen identifiziert werden, die auf Gänsefedern hinweisen. Diese lagen im Kopfbereich der Toten und gehörten vermutlich zu einem aufwendigen Kopfschmuck. Der Nachweis bestätigt ältere Rekonstruktionsversuche, die bereits einen mit Federn verzierten Kopfschmuck aus Hirschgeweih und Tierzähnen vermuteten.
Die Frau, einst zwischen 30 und 40 Jahre alt, lag mit einem Säugling im Arm bestattet. Alles deutet darauf hin, dass sie in ihrer Gemeinschaft eine besondere, möglicherweise spirituelle Rolle innehatte – als Schamanin, Heilerin oder Vermittlerin zwischen den Welten.
Masken und Opfergaben
Nicht nur das Grab selbst, auch der umliegende Bereich birgt Überraschungen. Nur wenige Meter entfernt entdeckten Forscherinnen und Forscher eine weitere Grube, die etwa 600 Jahre nach der Bestattung angelegt worden war. In ihr lagen zwei aus Hirschgeweihen gefertigte Masken – möglicherweise eine Art rituelles Opfer für die verehrte Schamanin.
Analysen ergaben, dass auch an diesen Masken Federreste hafteten, darunter solche von Singvögeln und Hühnervögeln wie Auer- oder Birkhuhn. Eine Maske trug zudem Spuren von Bastfasern – Hinweise auf kunstvolle, federverzierte Kopfbedeckungen, die einst Teil eines zeremoniellen Ensembles gewesen sein könnten.
Blick in die Zukunft
Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg gilt heute als eine der bestuntersuchten Bestattungen Europas. Die Funde gewähren Einblicke in die komplexen Glaubensvorstellungen und sozialen Strukturen der Mittelsteinzeit. Ab dem 27. März 2026 werden die neuesten Ergebnisse und Rekonstruktionen in einer großen Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle präsentiert.
Meldung Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt