Zwei Talabschnitte mit den altsteinzeitlichen Höhlenfundplätzen Hohle Fels, Geißenklösterle und Sirgenstein im Achtal sowie Bocksteinhöhle, Hohlenstein-Stadel und Vogelherd im Lonetal sind in die Welterbeliste eingetragen. In vier dieser sechs Fundplätze (Hohle Fels, Geißenklösterle, Hohlenstein-Stadel und Vogelherd) fanden sich neben Tausenden Alltagsgegenständen aus Stein und organischem Material sowie Resten erbeuteter Wildtiere zumeist aus Mammutelfenbein gefertigte mobile Kunstobjekte, die zu den weltweit ältesten Nachweisen gegenständlicher Kleinkunst gehören. In drei Höhlen (Hohle Fels, Geißenklösterle und Vogelherd) wurden in denselben Fundschichten außerdem die ältesten bekannten Musikinstrumente der Menschheit entdeckt. Diese Hinterlassenschaften stammen vom modernen Menschen (Homo sapiens), der im Aurignacien (43 000–35 000 Jahre vor heute) vor über 40 000 Jahren die zuvor von Neandertalern (Homo neanderthalensis) bewohnten Kaltsteppenlandschaften im südwestlichen Mitteleuropa besiedelte.
Löwenfigur aus der Vogelherdhöhle, Ausgrabung 1931 (Länge 8,8 cm).
Universität Tübingen/Hilde Jensen
Frühe mobile Kunst und älteste Musikinstrumente
Der »außergewöhnliche universelle Wert« (»Outstanding Universal Value«, OUV) bezeichnet die besonderen herausragenden Kriterien, die eine Welterbestätte charakterisieren und als weltweit einzigartig für die gesamte Menschheit ausweisen. Dabei spielt die Authentizität der Stätten eine wesentliche Rolle, das heißt die historische und wissenschaftlich nachgewiesene Echtheit der archäologischen Sedimentschichten, aber auch die Integrität: Bei den Höhlenfundplätzen sind sowohl die Sedimente erhalten, aus denen die archäologischen Hinterlassenschaften stammen, als auch die umgebenden Tallandschaften. Die genannten Höhlenfundplätze wurden nach Kriterium iii der Durchführungsrichtlinien der Welterbekonvention in die UNESCOWelterbeliste aufgenommen. Kriterium III verlangt von Welterbestätten, dass sie »ein einzigartiges bzw. außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen«. Bei den »Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb« sind dies die erhaltenen kulturellen Zeugnisse der ersten im heutigen Südwestdeutschland siedelnden modernen Menschen, wie geschnitzte Figuren, Schmuck und Musikinstrumente. Die einzelnen Teile dieser Welterbestätte mit ihren besonders fundreichen altsteinzeitlichen Sedimentschichten repräsentieren zusammen mit den sie umgebenden Mittelgebirgslandschaften ein einzigartiges altsteinzeitliches Siedlungsgebiet von an die kaltzeitlichen Steppenlandschaften angepassten mobilen Jäger-und-Sammler-Gruppen während des Aurignacien.
Die sechs Höhlen mit ihren altsteinzeitlichen Funden gewähren einen einzigartigen Einblick in einen möglichen frühen Entstehungs- oder Nutzungsort von früher bildender Kunst und Musikinstrumenten. Sowohl die eiszeitliche Tierwelt wie Mammut und Pferd als auch Darstellungen von Menschen sowie Tier-Mensch-Mischwesen finden sich unter den Kleinplastiken – so der ikonische »Löwenmensch « aus dem Hohlenstein-Stadel, der »Adorant« aus dem Geißenklösterle und die »Venus vom Hohle Fels«. Sie alle zählen zu den ältesten bislang entdeckten Darstellungen des Menschen. Mindestens acht unterschiedlich gut erhaltene Flöten aus Vogelknochen und Mammutelfenbein wurden außerdem bisher entdeckt. In den aurignacienzeitlichen Kulturschichten aller sechs Höhlenfundstellen fanden sich zudem Hunderte Schmuckobjekte, meist Elfenbeinperlen, die sehr wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Repräsentation von Gruppenzugehörigkeit gespielt haben.
Frauenfigur aus dem Hohle Fels (Höhe 6,0 cm).
Universität Tübingen/Juraj Lipták
Konservatorische Herausforderungen
Die konservatorischen und denkmalfachlichen Herausforderungen, die sich aus der Betreuung dieser Welterbestätte ergeben, sind vielfältig. Als Beispiele seien hier konservatorische und Vermittlungsaufgaben sowie die Koordinierung und Überwachung einer denkmalschonenden Forschung hervorgehoben.Um die Höhlen und die sie umgebende Landschaft zu schützen, wurden die betreffenden Abschnitte von Ach- und Lonetal als Grabungsschutzgebiete und die Höhlen selbst als »Denkmale von besonderer Bedeutung« nach den Paragrafen 12 und 22 des Denkmalschutzgesetzes Baden- Württemberg ausgewiesen. Jegliche physische Veränderungen oder wissenschaftliche Nachforschungen bedürfen demnach einer ausdrücklichen Genehmigung des Landesamts für Denkmalpfl ege. Durch regelmäßiges Monitoring werden die Unversehrtheit der Stätte überwacht und, bei Bedarf, denkmalpflegerische und konservatorische Schutzmaßnahmen durchgeführt.
Eine denkmalgerechte, auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Vermittlung der Stätte sowie der archäologischen Funde wird unter anderem über beschilderte Themenwege (»Eiszeitpfade«) innerhalb der Talabschnitte sowie unterschiedliche Ausstellungsorte und Infozentren gewährleistet. Hinzu kommen regelmäßige Führungen, Vorträge und Schulungsangebote, aber auch allgemein verständliche, populärwissenschaftliche Beiträge und Broschüren. Die denkmalschonende Erforschung wird im Rahmen eines Wissenschaftsmanagements überwacht. Federführende Forschungsinstitutionen sind die Universität Tübingen in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpfl ege und dieses selbst.
Flöte aus dem Hohle Fels, Schelklingen (Länge 21,8 cm).
Universität Tübingen/Hilde Jensen