Offener Kindergarten bzw. Offene Arbeit in der Kita

Ziel ist es, den Kindern mehr Bewegungs- und Entdeckungsraum zu geben. „Alle Offenen Kindergärten bemühen sich darum, Kindern im Vorschulalter zu ermöglichen, Kind zu sein und sich eigenständig zu entfalten.“³ Gerhard Regel und Sonja Ahrens beschreiben das Bild vom Kind in der Offenen Arbeit wie folgt: Kinder werden als „geborene Lerner“⁴ gesehen, als ein aktiv handelndes Subjekt, das sich vor allem über Erfahrungen entwickelt. Die Kinder gestalten ihre Entwicklung aktiv und sind Akteur:innen ihrer Entwicklung. Ein weiterer Aspekt von Offenen Kindergärten ist die Öffnung nach außen in den Stadtteil.

Erfahrungsgemäß dauert der Weg vom geschlossenen zum Offenen Konzept zwei bis drei Jahre. In der Regel sind es vier Faktoren, die die Entwicklung zu einer Offenen Kita befördern:

1. Öffnung der Türen: Dadurch werden die Spielmöglichkeiten der Kita sowohl drinnen als auch draußen erweitert. Auch die pädagogische Praxis wird für die Teammitglieder der anderen Gruppen sichtbarer.
2. Gruppenübergreifendes Arbeiten: Die Kinder besuchen andere Gruppen und pflegen dort Spielgemeinschaften und Freundschaften. Angebote und Projekte stehen für alle Kinder der Kita zur Verfügung. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten der Arbeitsteilung: Pädagogische Fachkräfte können sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren.
3. Gleichwertigkeit des Innen- und Außenbereichs: Eine Offene Kita versteht sich als Raum, der von den Kindern sowohl drinnen als auch draußen bespielt wird und genutzt werden kann. Gleichzeitig zwingt diese Sichtweise dazu, das Außengelände attraktiver zu gestalten.
4. Umgestaltung von Fluren, Gruppen- und Nebenräumen: Dadurch können die Kinder besser ihren Spielbedürfnissen nachgehen als in Stammgruppen mit 25 Kindern. Außerdem entzerrt die Umgestaltung in Verbindung mit dem Außengelände und zeitweiliger Abwesenheit von Kindergruppen durch Aktivitäten außerhalb des Kindergartens das Spielgeschehen. Das hilft, hausbedingte Aggressionen zu reduzieren.⁵

Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, Kinder zum eigenverantwortlichen Handeln zu ermutigen und zu begleiten. Dabei zeigt sie eine verstehende und feinfühlige Haltung. Eine weitere Aufgabe von Fachkräften ist die Organisation und Planung des Offenen Arbeitens..⁶

„In der Offenen Arbeit richtet die pädagogische Fachkraft den Blick auf alle Kinder, im Alltag heißt das, vor allem auf alle Kinder, denen sie begegnen. Diese Begegnungen können zum Beispiel in einem von der Fachkraft betreuten Raum, im Außengelände oder im Flur erfolgen. Wichtig dabei ist, Beobachtungen zum Spiel, besondere Ereignisse und Vorkommnisse, Konflikte mit anderen Kindern, Ess- und Schlafgewohnheiten dem/der Bezugserzieher:in des jeweiligen Kindes mitzuteilen. […] Die Merkmale der Arbeit pädagogischer Fachkräfte in einer Offenen Kita sind:

• kindzentrierte Haltung, das heißt, Themen und Bedürfnisse der Kinder stehen im Mittelpunkt
• forschende Haltung
• Beteiligung aller Kinder im Alltag
• achtsames Wahrnehmen aller Kinder
• individuelles Eingehen auf jedes Kind
• Zuständigkeit für alle Kinder
• Beziehungen zu allen Kindern
• Erweitern kindlicher Erfahrungsräume
• Kindern Zeit und Raum geben
• sich zurücknehmen, abwarten
• gelebte Vielfalt und damit auch Inklusion
• Kommunikation auf Augenhöhe mit Kindern, Eltern, Familien, Teammitgliedern
• regelmäßiger Austausch im (Klein-)Team
• regelmäßiger Austausch mit Eltern
• Transparenz der pädagogischen Arbeit (z. B. durch ,sprechende Wände‘, Projektdokumentationen, Portfolios, Infos zum Team und zum Konzept)
• Interesse an und Einbeziehen von Lebenssituationen der Familien und des Sozialraums
• kontinuierliche eigene fachliche Weiterentwicklung
• Wahrnehmen und Einbeziehen von gesellschaftlichen Themen.“⁷

• Kinder, die sehr einseitig interessiert sind, können eventuell nicht umfassend gefördert werden.
• Die Bindung zu einzelnen Bezugserzieher:innen kann weniger ausgeprägt sein, weil die Kinder vielfältige Kontakte haben.
• Durch das Raumangebot kann Unübersichtlichkeit entstehen – Erzieher:innen wissen möglicherweise nicht immer, wo sich welches Kind aufhält.
• Die Vertrautheit von festen Gruppen fehlt und kann bei manchen Kindern dazu führen, dass ihnen ein fester Ankerpunkt fehlt.

• Kinder werden als kompetent und eigenständig wahrgenommen und können die Themen und das Tempo ihrer Entwicklung selbst gestalten.
• Wenn das Konzept durchdacht und strukturiert ist, fühlen Kinder sich auch in der Offenen Arbeit sicher und aufgehoben.
• Statt vorgegebenem Programm können die Kinder in Lernwerkstätten selbst aktiv werden und ihren Alltag gestalten. Sie können ihren individuellen Interessen und Neigungen nachgehen.
• Spielpartner:innen und Spielorte können frei gewählt werden. Weil alle Fachkräfte für alle Kinder zuständig sind, wählen Kinder ihre wichtigsten Bezugspersonen selbst.
• Entscheidungen werden von oder gemeinsam mit den Kindern getroffen. Damit bietet die Offene Arbeit viele Chancen für Selbstverantwortlichkeit und Partizipation der Kinder.
• Studien zeigen, dass die Qualität der pädagogischen Arbeit bei über 3-jährigen Kindern höher ist als in geschlossenen Einrichtungen. So wies die „Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (NUBBEK) nach, dass die pädagogische Qualität in den untersuchten Kitas signifikant höher liegt, wenn die Teams offen arbeiten.⁸

Kinder können sich selbstständig für oder gegen Spielorte, Spielpartner:innen und Aktivitäten entscheiden. Damit bestimmen sie mit ihren aktuellen Themen den Tagesablauf. „Häufig muss sich die Offene Arbeit dem Anarchie-Vorwurf aussetzen. Dabei ist sie äußerst strukturiert und regelgeleitet, denn die Freiheit der Kinder zu maximieren benötigt viel Abstimmung untereinander, den Blick auf die Freiheiten der anderen, den Schutz von Minderheiten und die besondere Berücksichtigung der jüngsten Kinder, der stillen und zurückhaltenden Kinder sowie der Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Mit allen Kindern gilt es, deren aktuelle Themen zu planen und sie zur eigenständigen Arbeit zu ermuntern. Von der Zeitplanung zur Themen- und Raumplanung – diesen Schritt gehen pädagogische Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern in der Offenen Arbeit jeden Tag. Die Kinder dürfen sich in den Räumen jederzeit frei bewegen und müssen an keinem der ritualisierten Alltagseckpunkte teilnehmen. Die Fachkräfte folgen den Kindern zu deren Aufenthaltsorten, nicht umgekehrt. Zeitpläne verschwinden aus den Einrichtungen; auch Essen und Schlafen folgen den Bedürfnissen der Kinder.“⁹