Kirchenrecht

Das Kirchenrecht sind die Gesetze, die sich die Religionsgemeinschaften selbst geben. Als theologische Disziplin behandelt es die Ordnungsstruktur der Kirche und deren rechtliche Stellung innerhalb des Staatswesens.

Codex der katholischen Kirche
Der Codex Iuris Canonici ist das Gesetzbuch der katholischen Kirche und regelt das Leben als Gemeinschaft.© KNA-Bild

Kirchenrecht heißt das Recht, das in der Kirche gilt und ihr Leben als Gemeinschaft besonderer Art ordnet. In allen Kirchen (getrennten Konfessionen) gibt es Rechtsordnungen, die sich nach Begründung (aus dem "Wesen" der Kirche) und konkreter Gestaltung stark voneinander unterscheiden.

Im Bereich der katholischen Kirche wird zum einen von einem Recht gesprochen, das in dem erkannten Willen Gottes gründet, wenn es auch nicht unmittelbar in biblischer Zeit als der Zeit der öffentlichen Gottesoffenbarung als Recht formuliert wurde, das "göttliche Recht": Ius divinum. Zum andern existiert ein kirchliches Recht, das aus Gesetzen besteht, die von der kirchlichen Autorität legitim erlassen wurden und die sich oft auf "göttliches Recht" zurückbeziehen; außerdem gehört das Gewohnheitsrecht zum kirchlichen Recht. Hauptsächliche Quelle des Kirchenrechts in der lateinischen Kirche ist der CIC, der 1983 in Kraft trat. Das "göttliche Recht" wird nicht als starr und unflexibel verstanden; vielmehr gelten bei seiner Erkenntnis und bei seiner Anwendung auf konkrete Situationen analoge Prinzipien wie bei der Dogmenentwicklung. Im rein kirchlichen Recht sind erst recht Änderungen und Anpasssungen an veränderte Zeiten möglich und zum Teil geboten. Kriterien zur Änderung des K. ergeben sich nicht nur aus dem Achten auf die "Zeichen der Zeit", die angeben, was in der Kirche "heute" geboten ist, sondern auch aus kritisch-hermeneutischer Reflexion über Entstehungszusammenhänge des Kirchenrechts (z. B. des Ehe- und Verwaltungsrechts). Auch bei Begründungen aus einem "göttlichen Recht" fehlt oft eine überzeugende Argumentation, so dass die Verbindlichkeit von Normen im Einzelfall nicht immer leicht zu erkennen ist.

Vertreter des Kirchenrecht fordern oft die Anerkennung ihrer Wissenschaft als einer theologischen Wissenschaft. Eine Ansammlung von aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten (aus dem NT, dem II. Vaticanum) ohne Reflexionshintergrund genügt solchen Ansprüchen nicht. Die kirchliche Autorität erspart sich nicht selten die Mühe einsichtiger Begründung "göttlichen Rechts" und fordert statt dessen disziplinarisch "Unterwerfung" unter "authentische" und "definitive" Weisungen. Willfährige Kirchenrechtsvertreter, eine Minderheit, neigen dazu, disziplinarische Anweisungen in den Rang "unfehlbarer" Lehren hinaufzusteigern, Gehorsam nicht nur von Laien, sondern auch von Bischöfen unter Androhung von Strafen (!) einzufordern und den "Gesetzgeber" über das Konzil zu stellen. "Kirchenrechtlich zulässig ist für den Diözesanbischof einzig die gehorsame Umsetzung des päpstlichen Befehls gegenüber den Gläubigen und dem Staat" – Äußerungen von Handlangern dieser Art zeigen, dass eine totalitäre, dem Führerprinzip anhängende Mentalität auch noch im 21. Jahrhundert Begründungen ersetzen soll. Aus der Rechtsgeschichte sind nachsichtige Anwendungen kirchlicher Normen leicht zu erkennen: Epikie gilt als Tugend; bei rein kirchlichen Gesetzen gilt der allgemein anerkannte Grundsatz, dass sie bei schwerem Nachteil nicht verpflichten; Bischöfe müssen römische Anweisungen nicht befolgen, wenn sie schweren Schaden für ihre Ortskirche befürchten ("Remonstrationsrecht") usw.

Kirchenrecht ist auch der Name einer theologischen wissenschaftlichen Disziplin, die zu den ältesten zählt, da sie auf den schon im 5. Jahrhundert greifbaren Sammlungen der Konzilskanones beruht. Von griech. "Kanon" (= Richtmaß) her wurden die ältere Bezeichnung "kanonisches Recht" für Kirchenrecht und "Kanonistik" für die wissenschaftliche Beschäftigung damit abgeleitet. Die Sammlung von Quellen des Kirchenrechts ist umfangreich und wird oft zu Gesetzesinterpretationen herangezogen. Eine bedeutende Quelle ist Gratians Dekretensammlung um 1142.

Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder

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