Reformation

Mit dem Begriff der Reformation werden jene historischen Ereignisse des 16. Jahrhunderts zusammengefasst, welche zu der bis heute andauernden Spaltung der westlichen Christenheit geführt haben.

Reformation
Mit dem Begriff der Reformation werden jene historischen Ereignisse des 16. Jh. zusammengefasst, welche zu der bis heute andauernden Spaltung der westlichen Christenheit geführt haben. © Pixabay

Seit dem 19. Jahrhundert spricht man von dem „Zeitalter der Reformation“ als Epoche. Ihren Anfang markiert die Verbreitung der 95 Thesen von Martin Luther im Jahre 1517. Ihr Ende kann im Augsburger Religionsfrieden von 1555 gesehen werden. Ursprünglich rein theologisch motiviert, gingen mit der Reformation bald auch weitreichende Umwälzungen in Politik, Wirtschaft und Kultur einher. 

Martin Luther

Martin Luther und Wittenberg gelten gemeinhin als Ausgangspunkt der Reformation. Auf Basis seines Schriftstudiums kritisierte Luther unter anderem das mittelalterliche Ablasswesen. Im Herbst 1517 übersandte er seine Kritikpunkte in Form von 95 Thesen dem zuständigen Bischof. Darin mahnt er eine Reformation der Kirche an, die über das rein Menschenmögliche hinausgeht: „Die Kirche braucht eine Reformation, die nicht das Werk eines einzelnen Menschen ist, nämlich des Papstes, oder von vielen Menschen, nämlich den Kardinälen […], sondern es ist das Werk der ganzen Welt, ja es ist allein das Werk Gottes. Die Zeit freilich für diese Reformation kennt allein der, der die Zeit geschaffen hat.“ Ob er seine Thesen auch an der Schlosskirche von Wittenberg anschlug, ist historisch umstritten. Ungeachtet dessen gilt der 31.10.1517 als Datum des Thesenanschlags als Initialzündung der Reformation.

Von der Reform zur Reformation

Luthers nicht ohne Polemik vorgetragene Kritik stieß auf erbitterten Widerstand seitens der katholischen Hierarchie und führte schließlich zur Reichsacht. Sie verbot jegliche Unterstützung Luthers, seine Beherbergung und die Verbreitung und Lektüre seiner Schriften. Sie gebot außerdem Luthers Festsetzung und Überstellung an den Kaiser. Dem zeitgleich aufkommenden Buchdruck ist es mit zu verdanken, dass sich seine Gedanken nach 1520 dennoch rasch in ganz Europa ausbreiteten.

Eine Kirchenspaltung wollte Luther nicht herbeiführen. Ihm lag daran, die Kirche von innen heraus zu erneuern. Einen letzten Versuch zur Vermeidung einer Kirchenspaltung stellt das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) von 1530 dar. Die maßgeblich von dem Reformator Philipp Melanchton verfasste Schrift war als Einigungsdokument gedacht, vermochte diesen Zweck jedoch nicht (mehr) zu erfüllen.

Die Person Martin Luthers regt zu unterschiedlichen Deutungen und Einordnungen an. Peter Neuner nähert sich ihm in seinem Buch Martin Luthers Reformation aus einer dezidiert katholischen Perspektive und zeigt auf, dass Luther für die Ökumene immer noch relevant ist. Der bekannte Philosoph, Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann zieht mit seinem Buch „Luther wollte mehr“. Der Reformator und sein Glaube eine kritische Bilanz. Er geht u. a. der Frage nach, was Luther zum heutigen Zustand der christlichen Kirchen sagen würde. Als Luthers Grundanliegen hebt er hervor, dass der Mensch von Gott vorbehaltlos angenommen und gerecht gesprochen ist. Die Bedeutung Luthers und seines Denkens für die heutige Theologie stellen die Artikel in Christian Danz‘ und Jan-Heiner Tücks Sammelband Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen. Historische und theologische Perspektiven heraus. Dort unterstreicht Sibylle Lewitscharoff, wie stark Luther Impulse für die deutsche Sprache gesetzt hat. Sie spricht von ihm als „Sprachereignis“.

Die theologischen Anliegen der Reformation

Das gemeinsame Bestreben der Reformatoren war es, die Bibel stärker in den Mittelpunkt des Lebens der Kirche und des einzelnen Christen zu rücken. An diesem Vorhaben hatte Luther als Professor für biblische Exegese entscheidenden Anteil. Seine theologischen Einsichten erwuchsen seiner bibelwissenschaftlichen Forschung und seiner Lehrtätigkeit über die neutestamentlichen Schriften. Als Schlüsselerlebnis bezeichnet er selbst die befreiende Entdeckung der ‚Gerechtigkeit Gottes‘ im Römerbrief. Luther erkannte, dass es sich dabei um eine Gerechtigkeit handelt, um die der Mensch sich nicht aktiv bemühen muss (und woran er zwangsläufig scheitert), sondern um eine Gerechtigkeit, die ihm von Gott aufgrund seines Glaubens geschenkt wird. Die Rechtfertigungslehre gilt Luther daher als das Lehrstück, mit dem die Kirche steht und fällt.

Margot Käßmann und Ralph Ludwig erläutern weitere zentrale Begriffe der Reformation in einem leicht verständlichen Kleinen ABC zur Reformation: 95 x Reformation.

Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre

In jüngster Zeit haben die römisch-katholische und die reformatorischen Kirchen in diesem zentralen Punkt der reformatorischen Auseinandersetzungen eine entscheidende Annäherung erreicht. Nach einem 30-jährigen Dialog unterzeichneten die römisch-katholische Kirche und der Lutherische Weltbund am 31.10.1999 in Augsburg die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, der sich auch der Weltrat methodistischer Kirchen und im Jahr des Reformationsjubiläums 2017 auch die Weltgemeinschaft der reformierten Kirchen angeschlossen haben. Die Erklärung stellt erstmals seit den Spaltungen im 16. Jahrhundert fest, dass ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht und daher die gegenseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts die Lehre der anderen Kirche über die Rechtfertigung des Sünders vor Gott nicht treffen. Die entsprechenden Lehrverurteilungen haben deshalb nach Ansicht der beteiligten Kirchen keine kirchentrennende Wirkung.

Reformation jenseits der Theologie

Obwohl ihrem Wesen nach ursprünglich ausschließlich theologisch motiviert, beschränkte sich der Einfluss der Reformation nicht allein auf den religiösen Bereich. Sie wirkte auch nachhaltig in Politik und Gesellschaft hinein. Dementsprechend bezeichnet der Historiker Rolf Decot die Reformation in seiner Geschichte der Reformation in Deutschland als eine der einschneidendsten Epochen der Welt-, Kirchen- und Theologiegeschichte.

Eine enge Verflechtung von theologischen und politischen Interessen führte auch zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl V. und lutherischen Fürsten. Beendet wurden diese Konflikte im Jahre 1555 mit dem Frieden von Augsburg und dem sogenannten Landesherrlichen Kirchenregiment und seinem Prinzip „wessen Land, dessen Glaube“. Dem jeweiligen Landesfürsten wurde damit das Recht zuerkannt, die Konfessionszugehörigkeit seiner Untertanen zu bestimmen, um die religiöse Einheit innerhalb der einzelnen Territorien zu sichern.

Neben Martin Luther und Wittenberg vollzog sich die Reformation andernorts mit jeweils unterschiedlichen theologischen Profilen und in anderen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Besonders die Städtereformation in Genf und Zürich um die Protagonisten Johannes Calvin und Ulrich Zwingli trug ihren Teil dazu bei, dass die Reformation zu einem globalen, gesamtgesellschaftlichen Phänomen werden konnte. Von diesen und anderen Zentren aus erfasste die reformatorische Bewegung im 16. Jahrhundert ganz Europa und strahlte schließlich weltweit aus.

Nicht weniger als rund 200 Reformatoren porträtiert Uwe Birnstein in seinem unterhaltsamen Nachschlagewerk Who is Who der Reformation.

Das Reformationsjubiläum 2017

Anlässlich des Thesenanschlags Martin Luthers vor 500 Jahren stand das Jahr 2017 im Zeichen des Reformationsgedenkens. Führende Protestanten warben um eine katholische Beteiligung an den Feierlichkeiten, welche weder einem „deutschtümelnden Lutherheldengedenken“ (Margot Käßmann) noch einer „protestantischen Selbstbeweihräucherung“ (Heinrich Bedford-Strohm), sondern einem gemeinsamen „Christusfest“ dienen sollten.

Im Vorfeld des Reformationsjubiläums wurde lebhaft über die angemessene Form des Gedenkens debattiert. Die positiven Impulse der Reformation wollten in Ausgleich gebracht werden mit dem Trennungsschmerz angesichts der durchaus leidvollen Kirchenspaltung. Kardinal Rainer Maria Woelki bemerkt hierzu in der Herder Korrespondenz, dass Luthers Trennung von Rom nicht schon mit dem Thesenanschlag 1517 vollzogen wurde, sondern erst 1520: „Das Bezugsdatum des Lutherjahres ist also kein Datum der Trennung, sondern ein Datum, das auch die Katholiken an die stete Reformbedürftigkeit der Kirche erinnert.“

Wie sehr die Anliegen der Reformation auch die römisch-katholische Kirche beeinflusst haben, zeigt der katholische Theologe und Ökumeniker Wolfgang Thönissen in der Herder Korrespondenz auf. Er weist darauf hin, dass einige Anliegen Martin Luthers Eingang in die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils gefunden haben: Hochschätzung der Heiligen Schrift im Leben der Kirche, Wiederentdeckung des allgemeinen Priestertums, Verständnis des kirchlichen Amtes als Dienst, Bedeutung von Freiheit und Verantwortung des Menschen, Rechtfertigung des Sünders und Erneuerungsbedürftigkeit der Kirche. Letzteres bringt das Dekret Unitatis Redintegratio (UR) auf die Formel: „Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist.“

Reformationsgedenken als Impuls für die Ökumene?

„Was bleibt vom Reformationsjubiläum, wenn der letzte festliche Gottesdienst gefeiert und der letzte wissenschaftliche Vortrag gehalten ist?“ Diesen und ähnlichen Fragen geht Christoph Markschies in seinem Buch Aufbruch oder Katerstimmung? Zur Lage nach dem Reformationsjubiläum nach, indem er den Weg des Jubiläums durch Gremienarbeit, mediale Öffentlichkeit, wissenschaftliche Kritik und weltweite Rezeption schildert. Er plädiert für eine nüchterne Betrachtung der Feierlichkeiten und der damit verbundenen Erwartungen.

Welchen Auftrieb das Reformationsgedenken der ökumenischen Begegnung verliehen hat, lässt sich an dem Gemeinsamen Wort der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ablesen. In Anlehnung an den Versöhnungsprozess Healing of Memories nach dem Ende des Apartheid-Regimes in Südafrika trägt dieses Wort den Titel Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen. Die beiden Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx und Heinrich Bedford-Strohm bemerken in ihren Stellungnahmen dazu mit einer Stimme: „2017 werden wir erstmals in der Geschichte der getrennten Kirchen die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Reformation auch in ökumenischer Gemeinschaft feiern.“

Bereits 2016 wagte die Herder Korrespondenz einen vielstimmigen Ausblick auf den Fortgang der Ökumene nach dem Reformationsjubiläum 2017. Die Autoren nehmen dabei das Jubiläum zum Anlass, die Zukunft des Christentums aus verschiedenen Disziplinen zu beleuchten. Im Jubiläumsjahr erschien mit Heillos gespalten? Segensreich erneuert? 500 Jahre Reformation in der Vielfalt ökumenischer Perspektiven zudem ein Sammelband des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA). Darin wagen die Autoren eine sowohl historische als auch theologische Einordnung der Reformation aus orthodoxer, katholischer, lutherischer, reformierter und freikirchlicher Perspektive anhand ausgewählter Themen: Einheit und Vielfalt der Kirche, Rechtfertigung und Gottesglaube, Freiheit und Gewissen, Reform und missionarische Erneuerung.

Die Nachhaltigkeit des mit dem Reformationsjubiläum einhergehenden ökumenischen Impulses muss sich nach Gerhard Feige, dem Vorsitzenden der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, erst noch erweisen: „Ob der ökumenische Qualitätsschub von 2017 verpufft oder nicht, hängt freilich auch davon ab, ob wir an der Einheit der Kirche wirklich interessiert sind, wie es uns gelingt, uns in den theologischen Vorstellungen und kirchlichen Lebensvollzügen zu verständigen, und was wir dem Wirken des Heiligen Geistes zutrauen.“

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