Religionspädagogik

Religionspädagogik befasst sich mit religiösen Lernprozessen. Sie geht dabei von dem Gedanken aus, dass eine gute Beziehung der Menschen zu Gott durch Bildung gefördert werden kann. Ein solches Lernen findet nicht nur im kirchlichen oder schulischen Kontext statt, sondern erstreckt sich über vielfältige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.

Eine Jugendliche beschreibt im Religionsunterricht die Tafel.
Eine Jugendliche schreibt im Religionsunterricht Stichwörter an die Tafel.© KNA-Bild

„Das zentrale Ziel religionsunterrichtlichen Bemühens ist nicht mehr die Vermittlung bestimmter in einer Religionsgemeinschaft geltender Wahrheiten, sondern die Entwicklung von für das Leben in unserer Gesellschaft allgemein wichtigen religiösen Kompetenzen.“ So erklärt der Religionspädagoge Rudolf Englert sein Fach. Religionspädagogik reflektiert und gestaltet religiöse Lernprozesse. Diese können in ganz unterschiedlicher Art stattfinden: Jenes Lernen läuft ungeplant oder geplant ab; im Rahmen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft, „allgemein“ oder interreligiös; im Kontext der Erziehung zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden ebenso wie im Bereich der Bildung unter gleichberechtigten Diskursteilnehmerinnen und -teilnehmern.

In diesem Spektrum der Lernformen interessiert sich die katholische beziehungsweise evangelische Religionspädagogik besonders für die kirchlich verantwortete Bildungs- und Erziehungsarbeit an institutionalisierten Lernorten. Dazu gehören neben dem Religionsunterricht auch Katechese, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Religionspädagoginnen und -pädagogen werden an kirchlichen Hochschulen ebenso wie an staatlichen Universitäten ausgebildet. Sie widmen sich religiösen Bildungs- und Lernprozessen im biographischen Kontext und an unterschiedlichen Orten: Dazu gehören Kindergärten und Tageseinrichtungen, Schulen und Jugendarbeit, Gemeindekatechese im Rahmen der Gemeindepädagogik, Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit sowie die Bildung in der Öffentlichkeit und über Medien vermittelt.

Grundaufgaben und Arbeitsweise der Religionspädagogik

Als anthropologische Voraussetzung gilt für die Religionspädagogik, dass es sich bei der Beziehung zu „Gott“ als letztem Daseinshorizont um eine Grundverfasstheit des Menschen handelt. Pädagogisch wird vorausgesetzt, dass eine positive Gestaltung dieser Beziehung durch Erziehung und Bildung gefördert werden kann. Aufgrund der Mehrdimensionalität von Religion und Religiosität weist die Religionspädagogik unterschiedlichste Facetten auf. Sie lassen sich zu drei zentralen Hauptaufgaben bündeln:

  • die Eröffnung religiöser Erfahrungen (im Umgang mit sich selbst, anderen Menschen und der Natur)
  • die Erschließung religiöser Traditionen (als unterschiedliche Lesarten der genannten Erfahrungen)
  • die Entwicklung religiöser Identität (und einer dementsprechenden Lebensgestaltung).

Katholische und evangelische Religionspädagogik arbeiten insofern mit einem „soteriologischen“ Vorurteil, als dass sie davon ausgehen, dass die beste Förderung für die Ausbildung religiöser Kompetenz in der Begegnung mit der jüdisch-christlichen Glaubenstradition besteht. Dennoch ist ihr Ziel nicht nur, eine vorgegebene Glaubensgestalt zu vermitteln, sondern die Selbstbestimmung zu fördern. Aus den Inspirationen des Glaubens soll zur Subjektwerdung des Menschen beigetragen werden.

Eine korrelative – sprich wechselseitige – Grundstruktur prägt die Arbeitsweise der Religionspädagogik. In einer normativen Dimension sollen theologisch begründete Interpretationen christlichen Glaubens vermittelt werden. In empirischer Dimension werden diese zu humanwissenschaftlich fundierten Analysen konkreter Situationen in Beziehung gesetzt. Darauf basierend sollen in einer handlungsorientierten Dimension Empfehlungen für die Praxisfelder der religiösen Bildung und Erziehung formuliert werden. Daher arbeitet die Religionspädagogik in hohem Maße interdisziplinär. Ihre Forschungswege beinhalten hermeneutisches, ästhetisches, empirisch-analytisches und ideologiekritisches Vorgehen. Heute gehört sie als Teildisziplin zur Praktischen Theologie und bedient sich exegetischer, historischer und systematisch-theologischer Nachbardisziplinen ebenso wie der Soziologie, Entwicklungspsychologie und Pädagogik.

Entstehung und Entwicklung der Religionspädagogik

Bei der christlichen Religionspädagogik handelt es sich in wissenschaftlicher Hinsicht um eine noch junge Disziplin. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts verdrängt der Begriff zunehmend den älteren Ausdruck „Katechetik“. In dieser Entwicklung zeigt sich die Verschiebung der Schwerpunkte in der religiösen Bildungsarbeit. Im Vergleich zur Katechetik beschäftigt sich die Religionspädagogik weniger mit dem Glauben der Kirche, als vielmehr allgemein mit Religion. Außerdem werden pädagogische Prinzipien stärker mit theologischen Perspektiven im Bereich des Lernens von Glauben verbunden. Die Bedeutung des Begriffs bot jedoch immer wieder Konfliktstoff. So verlangt die Frage, welche Religion die der Religionspädagogik ist, stets neue Definitionen. Nach Rudolf Englert will die Religionspädagogik heute nicht mehr nur noch die Vermittlung des christlichen Glaubens optimieren. Dies gilt besonders für die Fälle, in denen die Kirche öffentliche Bildungsverantwortung übernimmt – wie in der Erwachsenenbildung oder dem Religionsunterricht.

Gegenwärtig ist die Religionspädagogik mit der Säkularisierung der Gesellschaft und einer gleichzeitigen Individualisierung von Religion konfrontiert. In der Praxis religiöser Erziehung und Bildung wird wie in kaum einem anderen Feld kirchlichen Handelns die Kluft zwischen Christentum und moderner Lebenswelt erfahren. Doch gerade hier können durch reflexive Aufarbeitung Gräben überwunden werden und produktive Beziehungen von religiöser Inspiration und persönlicher Lebenspraxis entstehen. Das Bemühen um solche wechselseitigen Beziehungen bestimmt die aktuellen religionspädagogischen Fragestellungen: Was sind die für das Leben der heutigen Menschen wichtigsten Aspekte der Glaubens-Überlieferung? Mit welchen Möglichkeiten kann der Glauben biographisch, entwicklungspsychologisch und dem Kontext angemessen erschlossen werden? Wie kann mit den vielen neuen Formen heutiger individueller Religiosität umgegangen werden?

Aktuelle Herausforderungen für die Religionsdidaktik

Im Rahmen der Religionsdidaktik befasst sich die Religionspädagogik schwerpunktmäßig mit dem schulischen Unterricht. Zentrale religionsdidaktische Dimensionen sind dabei ökumenisches und interreligiöses Lernen, Pluralität, Inklusion und Gender, empirische Forschung, ästhetische Bildung, darüber hinaus biographisches sowie performatives Lernen, Kinder- und Jugendtheologie als religionsdidaktische Prinzipien, Elementarisierung als Prinzip religionsdidaktischer Unterrichtsplanung und Kompetenzorientierung als Prinzip der anwendungsorientierten Unterrichtsgestaltung, so schreiben die Religionspädagogen Christina Kalloch, Stephan Leimgruber und Ulrich Schwab in ihrem „Lehrbuch der Religionsdidaktik“ (Herder 2014).

In Deutschland stehen der christliche und der noch in der Entstehung befindliche islamische Religionsunterricht vor gemeinsamen Herausforderungen. Im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen von Säkularisierung und religiöser Vielfalt stehen auf der einen Seite Befürworter des traditionellen christlich-konfessionellen Religionsunterrichts. Dieser rekonstruiert die Religion aus der Innenperspektive, statt sie aus einer analytischen Außenansicht zu dekonstruieren. Ein Gegenentwurf ist ein vielfältiger Religionsunterricht „für alle“ – sprich katholisch, evangelisch, islamisch, jüdisch, vielleicht orthodox. Dies wäre jedoch deutlich schwieriger zu realisieren als das radikale Berliner Modell eines verpflichtenden Ethik-Unterrichts.

Grundsätzlich bewegen sich Religionslehrerinnen und -lehrer im Spannungsfeld zwischen Schule und Kirche. Die unterschiedlichen Aufgaben von Katechese und Religionsunterricht müssen daher stets neu angepasst werden. Die Kontextualisierung der Glaubenstraditionen kann auch in der Schule nur in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen gelingen: Wenn Themen wie Leben und Tod, Schöpfung, Krankheit und Rechtsstaat im Religionsunterricht wie auch in anderen Fächern thematisiert werden, haben die Lernenden die Möglichkeit, unterschiedliche Positionen kennen zu lernen und zu diskutieren.

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