Das ist wirklich schwierig und ich finde es hat viel damit zu tun, wen man vor sich hat. (Direkte Betroffene, Helfer, oder eine weiter entfernte Gemeinde?). Ich würde versuchen, von der Erfahrung der Katastrophe auszugehen, zu beschreiben, wie Glauben helfen kann, und dann darauf abheben, dass der Glaube für uns das eine Haus sein kann, dass uns in Katastrophen stehen bleibt und uns beherbergt.
Etwa so:
Ihr Lieben,
es tut mir so leid, was Euch passiert ist! Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sich für Euch anfühlt. Die Angst, als das Wasser angekündigt wurde; die Hoffnung, dass es das eigene Haus verschont - die Enttäuschung!
Evakuiert zu sein, zurückzukommen und zu sehen, dass nur noch Katastrophe da ist. Die Trauer um Verstorbene, die Angst um Verletzte und Vermisste… Es ist ein riesiges Grauen - ich kann es mir kaum ausmalen - aber Ihr seid mittendrin. Und seit Tagen stemmt Ihr Euch gegen die Verzweiflung, Ihr schippt Schlamm, Ihr rettet Leben und Dinge, Ihr macht Euren Kindern Mut, Ihr versucht, im Chaos wieder Leben zu organisieren.
Unfassbar, was für eine Macht das Wetter hat. Ein bisschen zu viel Regen, Wind, Gewitter, Wasser und ein festes, stabiles, gut gebautes Haus wird einfach so weggerissen. Schutt und Schlamm, wo vorher Straßen waren und Spazierwege, Wohn- und Kinderzimmer, das kleine Café und das Krankenhaus.
Einfach ein bisschen falsches Wetter zur falschen Zeit am falschen Ort und von einem Tag auf den anderen ist alles, was sich sicher angefühlt hat - nach Heimat und Geborgenheit, nach Zukunft und finanzieller Abgesichertheit - weg.
Jesus hat auch mal darüber geredet, wie leicht ein Haus weggespült werden kann. Er hat von zwei Menschen erzählt. Der eine hat sein Haus auf Sand gebaut, der andere auf Fels. Als Wind und Regen kamen, war das Haus, das auf Sand gebaut war, ganz schnell zerstört. Das andere blieb stehen.
Wir haben diesen Sommer erlebt, dass auch das sicherste Fundament nicht hält, wenn die Flut kommt. Ihr habt ja nicht auf Sand gebaut, sondern auf Stein. Ihr habt nichts falsch gemacht und trotzdem hat das Wasser Eure Wohnungen zerstört. Und es sind ja nicht nur die Wohnungen, nicht nur die Dinge und materiellen Werte. Es sind ja auch Überzeugungen und gute Gefühle verschüttet worden. Die Vorfreude auf die Sommerferien, die Gewissheit, einen bestimmten Lebensstandard beibehalten zu können und einfach das Gefühl, dass das eigene Zuhause sicher ist und die Zuversicht, dass einen ein langes gutes Leben erwartet. Von einer Sekunde auf die andere kann alles anders sein. Man weiß das theoretisch, aber es ist was ganz anderes, wenn es einen plötzlich trifft.
Jesus war einer, der wusste, wie es ist, wenn im Leben eine Katastrophe eintritt. Er hat ganz viel seiner Zeit mit Menschen verbracht, die schwer krank waren, die Angehörige verloren hatten, oder die in Armut leben mussten. Und genau wie Ihr hatten diese Menschen oft nichts falsch gemacht oder ihr Unglück in irgendeiner Weise verdient. Es ist ihnen einfach passiert. Jesus hat ihnen geholfen, wie er konnte, und manchmal war es am Wichtigsten, dass er einfach nur da war. Wenn das Leben außen rum wieder seinen normalen Gang ging und alle über das nächste sportliche Großereignis oder den Immobilienpreis redeten, war er da für die Menschen, denen grad Ihr Leben verloren ging. Er war für sie da und er hat von seinem Glauben erzählt. Einmal hat er eine lange Rede gehalten. Da ging es darum, was wirklich glücklich macht im Leben; es ging um Nächstenliebe und darum, wie man sogar die lieben kann, die einem so gar nicht nahe sind; es ging um das, was dem Leben Sinn gibt und um die Frage, wie beten helfen kann und noch um so einiges mehr. Auch das „Vater unser“ kommt in dieser Rede vor, also das Gebet, das wir Christen bis heute in jedem Gottesdienst sprechen. Gott, unser Vater - sagen wir da, weil wir zu ihm kommen können, wie zu einem Vater - nicht wie zu einem dieser Väter, die nie Zeit haben oder die die vor lauter Strenge nicht erkennen, das wir ihre Liebe suchen, sondern wie zu einem richtig guten Vater, der immer da ist, der sich über unsere Erfolge freut und dem das Herz zerreißt, wenn er sieht, dass in unserem Leben grade alles auseinander bricht. Gott ist für uns da, egal, was passiert und auch, wenn alles kaputt geht und wir nicht wissen, wie wir den nächsten Tag überstehen sollen. Gott ist da und es wird weiter gehen, der nächste Tag wird kommen und der übernächste Tag und irgendwann wird das hier Vergangenheit sein. Und wir werden andere sein, als wir früher waren, aber wir werden wir sein und wir werden nicht allein sein: Gott wird bei uns sein mit seiner Liebe, was auch immer kommt. Er ist jetzt auch bei denen, die gestorben sind und er ist bei uns, die wir leben und die wir unseren Weg zu gehen haben.
Am Ende dieser gar nicht so langen und sehr lesenswerten Rede hat Jesus das von den zwei Männern und ihren Häusern erzählt. Er hat gesagt: Das, was ich Euch jetzt gesagt habe über die Suche nach dem Glück, darüber, wie wir einander lieben können und über Gott, an dem wir uns festhalten können, weil er das eine im Leben ist, das nicht verloren geht, weil er uns liebt und weil er immer da ist - all das, das ist ganz wichtig. Das kann Euch das Leben retten, wenn Ihr verzweifelt seid. Haltet das fest! Haltet Euch an Gott fest! Dann seid Ihr wie ein Mensch, der ein Haus baut, das so stabil ist, dass es auch bei der schlimmsten Flutkatastrophe nicht kaputt geht. Im bildlichen Sinn. Ihr seid ein Mensch, der ein Zuhause hat und behält. Ein Zuhause in seinem Glauben.
Ihr Lieben, jetzt, wo Euch so vieles kaputt gegangen ist und Eure Häuser zerstört sind, wünsche ich Euch, dass Euer Glaube Euch hält und trägt. Auch wenn es grade nicht danach aussieht: Es gibt Zukunft und Gott ist mit Euch dorthin unterwegs.
Pfarrerin Anna Peters