FinanzwirtschaftEin paar Fragen an die Welt des Mammon

Die Welt der Finanzwirtschaft meint, ihre eigenen Gesetze zu haben. Wer einmal verschuldet ist, kommt nicht mehr raus aus der Mühle, es gibt keinen Neuanfang. Geld muss sich vermehren, koste es, was es wolle. Reiche sollten nicht teilen. Moralische Maßstäbe für Investitionen scheint es nicht zu geben.

Ein paar Fragen an die Welt des Mammons
Vor dem ehemaligen Gebäude der Europäischen Zentralbank protestieren Attac­-Aktivisten.© epd/www.attac.de; https://www.facing- nance.org/de/2019/05/

Ich bin keine Wirtschaftswissenschaftlerin, sondern Theologin. Daher kann ich ein paar simple Fragen an die Welt des Mammon stellen, die ja angeblich ihre ganz eigenen Gesetze hat. Der Verwalter, von dem bei Lukas (Lukas 16,1–13) die Rede ist, wird im griechischen Urtext mit „oikonomos“ bezeichnet. Er ist ein freier Mann, der in der Welt der oikonomia sein Geld verdient. Oikonomos aber leitet sich ab von oikos, und das bezeichnet griechisch das Haus. Was ökonomisch getan, gedacht, verhandelt wird, findet also nicht im Abseits statt und kann auch nicht eigene Regeln für sich beanspruchen. Nein, es muss dem Haus, dem Ganzen dienen. Es geht nicht um ein Wirtschaften für die Bereicherung Einzelner im Oikos, sondern um eine Ökonomie für das Leben. Und es geht auch nicht um ein Wirtschaften allein mit den Tatkräftigen und Handlungsfähigen, wie es so gern unterstellt wird, als seien Leistungsträger diejenigen, die den Oikos ausmachen. Es geht um ein Wirtschaften mit allen, denn auch diejenigen, die nicht entlohnt werden, wenn sie Kinder erziehen oder Alte pflegen, auch diejenigen, die schlecht entlohnt werden, weil ihr Handeln weniger angesehen ist in der Gemeinschaft, selbst diejenigen, die nicht oder nicht mehr leistungsfähig sind, sie alle sind Teil des Oikos. Nach christlichem Verständnis ist niemand mehr wert als der andere, auch wenn er noch so ein großartiger homo oeconomicus zu sein meint oder scheint.

Ein Kollege an der Emory Universität in Atlanta hat mir erzählt, dass er vor ein paar Jahren ein Haus gekauft hat für 280.000 $. 100.000 $ hat er abgezahlt. Dann kam der große Crash. Heute ist sein Haus noch 150.000 $ wert. Das heißt, er hat 100.000 $ für nichts abgestottert, 180.000 $ Schulden, von denen 30.000 $ noch nicht einmal durch das Haus gedeckt sind. Was steckt dahinter? Die Experten sagen mir: „Das war die Blase.“ Aber wer hat denn die Blase aufgeblasen? Da agieren Menschen und sie agieren mit Gier. Und aktuell heißt es, die irrsinnige Steigerung der Immobilienpreise sei wiederum eine Blase, die demnächst platzen wird...

Jeder, der mit den eigenen Kindern schon einmal Monopoly gespielt hat, begreift in Grundsätzen das Spiel des Kapitalismus. Dreimal hintereinander auf der Schlossallee – mit einem Haus bebaut – gelandet und du bist pleite. Wenn du aber die Schlosssallee besitzt, kannst du derweil anfangen, Hotels zu bauen. Sobald es soweit ist, eskaliert alles ganz schnell und das Spiel neigt sich dem Ende entgegen.

Schulden entstehen schnell, weil Menschen von kleinen Verstrickungen in große geraten. Irgendwann stecken sie in der Schuldenfalle, weil der nicht bediente Handyvertrag, das beim Versandhaus bestellte Sofa, das sofort geliefert, aber später bezahlt werden konnte, eben doch nicht bezahlt wurden. Und dann sagt die Schufa, sozusagen die NSA unseres Einkaufsverhaltens: nicht kreditwürdig.

Nicht nur Staaten verschulden sich, sondern auch Menschen, gerade Menschen mit geringem Einkommen geraten allzu schnell in die Schuldenfalle. Da gibt es selten einen Verwalter, der ihnen heraus hilft und dem sie vertrauen können. Eher kommen die Lockangebote: „Handyvertrag ohne Schufaauskunft“ oder – hatte ich letzte Woche als Wurfsendung im Briefkasten – „Umschuldung – einfach, schnell, diskret“.

Wer aber gut investieren will, was er hat, investiert am besten in Rüstung. Das ist ein Geschäft, das sich immer lohnt. Und die Kriege und Bürgerkriege, die derzeit toben, machen Rüstung zu einem todsicheren Geschäft im wahrsten Sinne des Wortes. Deutsche Finanzinstitute betreiben milliardenschwere Geschäfte mit Rüstungsunternehmen. Die Nichtregierungsorganisation Facing Finance zeigt in ihrem Bericht „Dirty Profits 7“, dass die größten deutschen Vermögensverwalter bzw. ihre Kundinnen und Kunden zwischen 2015 und 2018 mehr als 5,5 Milliarden in Rüstungsunternehmen investiert haben, die Waffen nach Nahost und Nordafrika lieferten. Die Selbstrechtfertigung fällt leicht: Es werden ja nicht nur Waffen produziert und was können die Rüstungskonzerne schon für die Konflikte in diesen Ländern.

Der Verwalter in der Lukas-Geschichte wirkt nicht wirklich sympathisch. Aber in der Tat, er durchbricht die Regeln. Was immer sein Motiv sein mag: Eigenvorsorge, sich einschleimen oder gar Mitleid, ja vielleicht sogar ein Bruch der Systemlogik, es ist anregend. Weil er einen Weg geht, der nicht der Logik des Geldes entspricht, sondern anderes in den Blick nimmt. Er hängt sein Herz am Ende nicht an den Gott Mammon, sondern entscheidet sich, mit den Regeln der Welt des Mammon auf Beziehungen zu setzen, auf andere Menschen, ja auf Dankbarkeit. Sie scheinen ihm am Ende zukunftsträchtiger zu sein als alles andere.

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