Jesus bei Zachäus: Tür und Herz offen

Gastfreundschaft kann dem Leben eine andere Richtung geben. Wenn wir uns öffnen für unsere Gäste oder als Gäste selbst die Großzügigkeit und Offenheit wahrnehmen können. Und wenn sich jemand selbst einlädt? Dann könnte auch das bereichernd sein. So ist es jedenfalls in der Geschichte vom Zollbeamten Zachäus.

Im Lukasevangelium wird von einem reichen Beamten namens Zachäus erzählt (19,1–10). Seinen Unterhalt verdient er als Zöllner, nicht gerade eine beliebte Berufsgruppe. Interessant finde ich beim Lesen immer wieder, dass berichtet wird, er sei "klein von Gestalt" gewesen. Warum war das wichtig? Schwingt da Häme mit: Reich war er schon, aber voller Komplexe? Über "kleine Männer", die "groß" sein wollten in der Geschichte wird ja gern gelästert, denken wir an Napoleon oder Adolf Hitler. 

Eigentlich werden eher Frauen mit solchen Attributen belegt: „üppig“, „zierlich“, „hager“. Zachäus war offenbar unbeliebt, das sollte vielleicht durch „klein von Gestalt“ unterstrichen werden.

Jedenfalls ist dieser Zollbeamte nach oben in einen Baum geklettert, um zuzuschauen, wie Jesus in Jericho einzieht, bejubelt von seinen Anhängern. Musste er auf den Baum klettern, damit er als kleiner Mann etwas sehen kann? Oder hat er sich sicherheitshalber dorthin verzogen, damit er nicht angepöbelt wird? Zollbeamte wurden ja von der römischen Besatzungsmacht eingesetzt. Sie trieben die von den Römern geforderten Steuern und Abgaben von der jüdischen Bevölkerung ein. Manche sahen sie deshalb als Verräter an. Es waren also in der Regel Männer, denen der Verdienst wichtiger war als die Solidarität. Und als clevere Geschäftsmänner überhöhten sie oft die römischen Forderungen noch und kamen so zu Wohlstand. Das führte zur Verachtung der Mitmenschen und in religiöser Hinsicht galten sie als Sünder, weil sie sich durch Lug und Trug an anderen bereicherten. Also: ein reicher Mann, der sich aber sehr bewusst ist, wie unbeliebt er ist. Wahrscheinlich hätte er sich äußerst unwohl gefühlt in der Menge und die anderen Anwesenden hätten ihn spüren lassen, wie sehr sie ihn verachten.

Als Jesus vorbeigeht, begrüßt er Zachäus und erklärt, er wolle noch am selben Abend bei ihm zu Gast sein. Erst einmal ist das ungewöhnlich: Niemand lädt sich selbst ein, das war auch in damaligen Zeiten nicht üblich. Eingeladen sein, du wirst eingeladen, ich bin eingeladen, das ist ein passiver Ausdruck. Aber hier ist es andersherum: Jesus gibt Zachäus die Ehre, bei ihm zu Gast zu sein. Es ist für den Zollbeamten eine Auszeichnung, dass dieser so beliebte und bewunderte Mann ausgerechnet zu ihm kommen will. Die anderen spüren das sofort: Sie murren! Das können wir gut nachvollziehen: Warum kommt er nicht zu mir? Ich wäre es eher wert, sein Gastgeber zu sein. Zachäus begreift es auch: Er ist glücklich, ist außer sich vor Freude. Wir können uns vorstellen, wie er nach Hause rennt, seiner Frau, seinen Bediensteten sagt: „Schnell, tischt das Beste auf, was wir haben, die besten Speisen, den besten Wein. Ich freu mich so riesig auf diesen Gast.“

Es wird nicht berichtet, worüber Jesus und Zachäus gesprochen haben bei diesem Essen. Ich kann mir vorstellen, dass Zachäus ganz frei erzählt hat, wie er lebt. Dass er sich bewusst ist: Es ist nicht rechtens, was ich tue. Jesus war ganz offensichtlich ein guter Zuhörer. In jedem Fall ändert Zachäus nach diesem Gastmahl sein Leben komplett. Er gibt die Hälfte seines Besitzes den Armen. Und wen er betrogen hat, entschädigt er vierfach. Jesus erklärt, auch Zachäus sei Abrahams Sohn.

Es ist eine großartige Erzählung darüber, was Gastfreundschaft verändern kann. Menschen kommen an einem Tisch zusammen, essen, trinken, reden über Gott und die Welt. Und auf einmal eröffnen sich neue Horizonte! Miteinander so zusammenzukommen ist geradezu das Markenzeichen des Jesus von Nazareth! Und wir bilden das bis heute ab, wenn wir miteinander im Gottesdienst Brot und Wein teilen.

Wenn wir selbst gastfreundlich sind, wenn wir Gastfreundschaft annehmen, führt das zu neuer, vertiefter Begegnung. Jesus holt Zachäus aus seiner sozialen Isolation. Er ist sich nicht zu schade dafür, mit einem Menschen zusammen zu sein, den andere verachten. Heute sind gemeinsame Mahle zwischen Gläubigen verschiedener Religion ein Zeichen dafür, wie etwa in Augsburg jedes Jahr am 8. August. Oder das Weihnachtsessen für Obdachlose, das Frank Zander jedes Jahr zu Weihnachten in Nobelrestaurants veranstaltet – Ausgestoßene genießen dann Achtung. Oder die Bürgermahle, zu denen wir in Hannover zusammenkommen.

In unserer Zeit scheint Gastfreundschaft manchmal mühsam. Es scheint, als würde gleich ein perfektes Dreigängemenü erwartet. Oder die Wohnung muss perfekt sein. Oder die Kleidung. Da wird dann eher in ein Restaurant eingeladen. Aber das kann nicht ersetzen, wie wir uns zuhause begegnen, unsere Wohnungen und unser Herz füreinander öffnen, einfach so. Ein schöner Leitspruch der Zisterzienser lautet: Porta patet, cor magis – die Türe ist offen, noch mehr das Herz. Darum geht es, denke ich.

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