Identität entsteht in der GruppeEntwicklung

Eine gute Kindergemeinschaft ist wichtig für die Entwicklung von Grundschülern. Die Kinder bauen untereinander Hierarchien auf. Dazu gehört auch Ausgrenzung – bis zu einem bestimmten Maß.

Identität entsteht in der Gruppe
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Mit etwa acht Jahren erschließt sich eine neue Dimension in der sozial-emotionalen Entwicklung – das Erleben von Gemeinschaftsgefühl. Eltern, Lehrer, Erzieher, auch Trainer, Musikund Nachhilfelehrer sind zweifellos wichtige Personen im Leben der großen Kinder. Aber ab etwa sieben Jahren wird die Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen Kindern zum vielleicht wichtigsten Lebensinhalt. Heute sind Schule und Hort oder angeleitete Freizeitangebote die Orte, an denen sich Kinder regelmäßig und in einem einigermaßen sicheren Rahmen treffen können.
Wie wichtig die Erfahrungen von Zugehörigkeit für das Wohlbefinden der Kinder sind, zeigt sich an der Bedeutung der Klassengemeinschaft. Kinder, die sich in ihrer Klasse wohlfühlen, bringen bessere Schulleistungen und fühlen sich auch psychisch und körperlich wohler als Kinder, die keinen guten Anschluss in ihrer Klasse haben. Wobei nicht unterschätzt werden darf, dass das Klassenklima in erster Linie von der Klassenlehrerin, dem Klassenlehrer bestimmt wird.
Die Bedeutung von Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zeigt sich auch darin, dass Kinder in diesem Alter beginnen, zum Beispiel Fan einer bestimmten Fußballmannschaft oder Musikgruppe zu werden. Auch das Bewusstsein, einem bestimmten Volk beziehungsweise einer Nation anzugehören, entwickelt sich. Die Identifikation mit der jeweiligen Gruppe hat einen hohen emotionalen Stellenwert. Sie ist offenkundig ein wichtiger Baustein in der Identitätsentwicklung.

BESTIMMER, KREATIVE UND MACHER

Seit eh und je bevorzugen große Kinder Orte und Gelegenheiten, bei denen sie sich unbeobachtet fühlen: die Schultoilette, das Versteck hinter der Turnhalle, die Spielkonsolen im Kaufhaus. Und heute besonders auch online in den sozialen Medien.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, „spielen“ die Kinder in ihren Gemeinschaften mit Gruppengesetzen, die auch unter Erwachsenen das Zusammenleben bestimmen. Jede Gruppe hat ihre Hierarchie, jedes Kind hat seine Rolle und Position. Ein Junge oder Mädchen ist „Bestimmer“. Es gibt die kreativen Ideengeber und die „Macher“, die Ideen in die Tat umsetzen. In jeder Gruppe gibt es zurückhaltende, beobachtende Mitläufer. Und es gibt Mahner und „Bedenkenträger“. Diese wenden sich im Zweifel an die Erwachsenen, wenn etwas geschieht, was nicht mehr im Rahmen zu liegen scheint.
Ein besonders intensives Zugehörigkeitsgefühl erleben die großen Kinder offenbar in ihren Banden und Cliquen, die sich immer und überall in diesem Alter bilden. Sich zusammenzuschließen bedeutet immer auch, andere auszuschließen. Es ist zu viel verlangt, dass in einer Klasse von 28 Kindern jedes zu allen anderen Kindern in gleichem Kontakt steht und jedes Kind jedes andere gleich gernhat.

MIT MOBBING UMGEHEN

Große Kinder entdecken die Bandbreite individueller Eigenschaften. Sie suchen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Sie vergewissern sich ihrer selbst, indem sie sich mit Gleichgesinnten verbünden und sich von denen abgrenzen, die sie als „anders“ erleben. So stellt sich in der Arbeit mit den großen Kindern immer wieder die Frage, wie man mit „Mobbing“ umgehen soll.

Da sich das Leben der Kinder heute fast immer unter den Augen von Erwachsenen abspielt, erwarten die Kinder (unbewusst), dass diese einschreiten, wenn Grenzen überschritten werden. Im Umgang mit Ausgrenzungen gibt es für die begleitenden Erwachsenen drei Fallen:

  1. Bagatellisierung: dem betroffenen Kind zu signalisieren, das sei nicht so schlimm, oder ihm womöglich sogar zu vermitteln, dass es mit seinem Verhalten selbst zur Ausgrenzung beigetragen habe.
  2. Dramatisierung: zu signalisieren, dass Gruppenbildung unzulässig sei, weil die mit Ausgrenzung verbundenen Schmerzen unerträglich seien, und die eigenständige Bildung von Untergruppen grundsätzlich zu untersagen.
  3. Aus Kindersicht am schlimmsten ist es, wenn die zuständigen Erwachsenen wegschauen und nicht reagieren.

Aus Sicht der Kinder ist es am besten, wenn die anwesenden Pädagogen zum einen die Bildung von Cliquen und Banden tolerieren, unter der Bedingung, dass keinem Kind absichtlich körperliche oder seelische Schmerzen zugefügt werden. Dem ausgegrenzten Kind hilft es, wenn der begleitende Erwachsene ihm signalisiert: „Ich sehe, was geschieht, und ich weiß, wie weh das tut. Aber ich traue dir zu, dass du stark genug bist, das auszuhalten, und ich helfe dir dabei: Ich übertrage dir (gemeinsam mit zwei anderen Kindern) einen Auftrag, der für uns alle wichtig ist.“ Es geht darum, das Selbstwertgefühl des ausgegrenzten Kindes zu stärken.  

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