WaffenlieferungenChrist im Dilemma

Deutschland liefert Waffen an die Ukraine. Ist das eine gute Entscheidung – oder ein Irrweg? Über eine Frage, auf die es keine richtige Antwort gibt.

Seit Wochen geistert die Frage nach Waffenlieferungen durch den gesellschaftlichen Diskurs, wird immer wieder gestellt – an Politiker, Militär-Experten und, ja, auch an Theologinnen und Theologen. Und es fällt auf, dass Menschen, die kein Problem damit haben, Abhandlungen über kleinste dogmatische Fragen zu schreiben, manchmal ins Straucheln kommen, wenn sie diese eine Ja-Nein-Frage beantworten sollen. Denn der russische Angriffskrieg ist keine theoretische Überlegung, sondern blutige Realität. Unsere Entscheidung, wie sie auch ausfällt, hat Konsequenzen. Mit jedem Tag, den die ukrainischen Truppen auf Waffen warten müssen, wütet die russische Armee weiter. Andererseits ist jede gelieferte Waffe Teil der Kriegsmaschinerie und könnte im schlimmsten aller Fälle dazu beitragen, die Gefechte in etwas zu verwandeln, das niemand wollen kann – eine Bedrohung für die Menschheit. In einen Krieg, in dem der gefallene Riese Russland noch einmal mit allen Mitteln gegen die USA, die NATO, den ganzen „gottlosen“ Westen ausschlägt.

Damoklesschwert Atomwaffen

Weil die so lange überwunden geglaubte Gefahr der Atomwaffen plötzlich wieder im Raum steht, kann auch der Blick in die Geschichte keine letzte Klarheit bringen. Natürlich, die Appeasement-Politik, mit der demokratische Regierungen das NS-Regime vor 80 Jahren viel zu lange gewähren ließen, war ein Fehler. Doch ist ein offener Weltkrieg wirklich ein Risiko, das man heute eingehen kann? Gleichzeitig kann es auch keine Option sein, sich unter dieser Drohkulisse in moralische Geiselhaft nehmen zu lassen und tatenlos zuzusehen, wie Unrecht geschieht.

Wenn man sich vor Augen führt, was auf dem Spiel steht, wundert es nicht, dass auch die Kirche in der Frage der Waffenlieferungen nicht mit einer Stimme spricht. Kaum hat Justitia et Pax „kluge Waffenlieferungen“ gefordert, haben eine Reihe von Theologen widersprochen: Mehr Feuerkraft würde nicht helfen, den Konflikt zu beenden. Beide Seiten sehen sich moralisch im Recht, beide haben biblische Texte parat, die ihre Position unterstützen.

Falsch und Falscher

Inzwischen werden sogar Jesus-Worte so gedeutet, dass sie bewaffneten Widerstand zulassen: Die Forderung, die andere Wange hinzuhalten, funktioniere eben nur, „wenn der andere mich nicht umbringt“, argumentiert der Sozialethiker Elmar Nass. Eine Einschränkung der radikalen Friedensethik, die Christus, zumindest für sich selbst, offenkundig nicht gelten ließ. Und statt seinen Teil dazu beizutragen, die Situation zu klären, versteigt sich Papst Franziskus dazu, der NATO eine Mitschuld am Krieg zuzusprechen. Vielleicht bringt es der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer am besten auf den Punkt: „Im Krieg gibt es eigentlich immer nur Falsch oder Falscher.“ Hoffen – und beten – wir, dass sich unsere Entscheidung am Ende nur als falsch herausstellt. 

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