Lichtsymbolik in der Advents- und WeihnachtszeitLicht in der Finsternis

Wer von Licht und Lichtsymbolik im Advent und an Weihnachten spricht, muss auch von Dunkelheit sprechen. Gerade das Zusammenspiel macht die besondere Atmosphäre dieser Zeit aus und führt in das theologische Geheimnis, das in der Liturgie gefeiert wird. In die Dunkelheit der Welt spricht Gott sein erlösendes Wort und schenkt uns damit Licht und Leben. Dabei spielen das allmähliche Lichtwerden im Advent und die Aufforderung, selbst zum Licht für andere zu werden, in der Weihnachtszeit eine besondere Rolle.

Manchmal bin ich froh, dass ich auf der Nordhalbkugel der Erde lebe. Advent und Weihnachten bei Sonnenschein und 30 Grad im Schatten, womöglich noch unter Palmen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. So richtig kalt ist es zwar bei uns auch nicht mehr im Dezember und weiße Weihnachten gibt es höchst selten, aber eines ist geblieben: Es ist dunkel. Und das ist gut so. Denn nur so kann das Licht zur Geltung kommen, das den Advent und die Weihnachtszeit so sehr prägt. Das erlebt man in dieser Zeit auch auf den Straßen, die durch immer greller werdende Weihnachtsdekorationen hell erleuchtet sind, als ob man die Dunkelheit vertreiben wollte.

Kein Licht ohne Dunkelheit

Wenn man über die Lichtsymbolik in der Advents- und Weihnachtszeit nachdenkt, kann man dies nicht, ohne auch die Dunkelheit, die Nacht zu thematisieren. Es kommt auf das Ineinander beider Elemente an, auch theologisch. In seinem Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“ (Gotteslob = GL 220), das in einer Zeit geschrieben wurde, die zu den dunkelsten Stunden unserer Geschichte gehört, hat dies Jochen Klepper (1903–1942) eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Klepper, der mit einer Jüdin verheiratet war, hat in der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung die absolute Dunkelheit durchleben müssen, die ihn am Ende dazu führte, gemeinsam mit seiner Frau in den Tod zu gehen. Kurz bevor er dieses Lied schrieb, notierte er in sein Tagebuch (am 7.12.1937): „Ich glaube nicht an Aktionen. Gott will im Dunkel wohnen, und das Dunkel kann nur durchstoßen werden durchs Gebet“ (Walter 2019, S.  53). In seinem Lied geschieht dies durch die Hoffnung auf den „hellen Morgenstern“. „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenschein bescheinet auch deine Angst und Pein“ (GL 220,1).
Kleppers Lied zeigt: Es gibt kein Licht ohne Dunkelheit. Und gerade dieses Zusammenspiel macht die besondere Atmosphäre (früher hätte man gesagt: den Zauber) und die theologische Tiefe dieser Zeit aus.

Adventskranz

Das bekannteste Lichtsymbol in dieser Zeit ist sicher der Adventskranz, eine Erfindung des evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern (1808–1881), die erst knapp 100 Jahre später von der katholischen Kirche übernommen wurde. Freilich war der Adventskranz bei ihm noch heller, er bestand aus vier großen und 20 kleinen Kerzen für die Sonn- und Werktage, erst später kam das Tannengrün hinzu und die Reduktion auf die vier großen Sonntagskerzen. Aber immerhin: Es ist ein bis heute verständliches Symbol für das langsame Kommen des Lichtes in die Welt, ein Symbol, das auch von Menschen des 21. Jahrhunderts verstanden wird, wie überhaupt Kerzen in ihrer Symbolik als Zeichen der Hoffnung und des Trostes in der Dunkelheit eine religionsübergreifende anthropologische Bedeutung haben. Die Kerzen, die nach Katastrophen auch im säkularen Raum aufgestellt werden, zeigen dies.
Es gibt übrigens auch Gegenden, in denen sechs Kerzen auf dem Adventskranz stehen, etwa in Mailand und Umgebung. Das hängt damit zusammen, dass dort der Advent nach altkirchlichem Brauch mit dem Martinsfest beginnt und sechs Wochen dauert. Und auch neue Formen von „Adventskränzen“ begegnen. So kann etwa der Ritus des sonntäglichen Entzündens der nächsten Kerze mit einer „Adventsleiter“ verbunden werden, die sehr anschaulich die Verbindung von Himmel und Erde zum Ausdruck bringt, vor allem dann, wenn man die erste Kerze auf der obersten Sprosse entzündet und dann Sonntag für Sonntag immer mehr auf der Leiter zur Erde hinabsteigt.

Rorate-Gottesdienste und andere Lichtfeiern

Zu einem lichtsymbolischen „Muss“ im Advent gehören auch die sogenannten „Roratemessen“. Liturgisch gesehen sind sie eigentlich nichts anderes als Marienmessen im Advent, die bis zum 16. Dezember gefeiert werden können. Sie haben ihren Namen vom Eröffnungsvers „Rorate caeli“ („Tauet ihr Himmel“) und müssen nicht unbedingt am frühen Morgen gefeiert werden, auch wenn es sich mit der Zeit so eingebürgert hat. Ebenso ist es aber möglich, einen Rorate-Gottesdienst in Verbindung mit der Vesper und einem Lucernarium (Lichtfeier) am Abend zu feiern.
In der pastoralen Praxis hat die Roratemesse heute meist den Charakter einer Frühschicht angenommen, häufig verbunden mit einem Frühstück. Die wenigsten Roratemessen werden als Marienmessen gefeiert, noch ist mit dem 16. Dezember damit Schluss. Vielmehr ist das Zentrale an diesen meist sehr gut besuchten Feiern die Lichtsymbolik. In der dunklen, nur von Kerzenlicht erfüllten Kirche kann eine Atmosphäre der stillen Erwartung auf das Kommen Jesu als Licht der Welt entstehen. Gerade in Zeiten äußerer und innerer Dunkelheit (wie etwa in Pandemiezeiten) bringen Roratemessen ein Stück Hoffnung in den Alltag der Menschen. Eine Anregung wäre, das marianische Motiv, das an ihrem Ursprung steht, nicht ganz zu vergessen, ist doch Maria der adventliche Mensch schlechthin. Sie hat ihr „Ja“ in die Dunkelheit und Unsicherheit hinein gesagt, weil sie ganz auf das Licht vertraute.
Im Zusammenhang mit den Roratemessen kommen auch andere Lichtfeiern in den Blick, besonders die aus dem altkirchlichen Kontext stammenden Lucernarien. Dabei handelt es sich um eine Lichtdankfeier, die zu Beginn der Vesper oder der Komplet eingefügt werden kann und aus einem Lichtritus (zum Beispiel das Hereintragen der Osterkerze oder das Entzünden der Adventskerzen), einem Lichthymnus (am bekanntesten ist das „Phos hilaron“ der Ostkirche) und einer Lichtdanksagung besteht (vgl. GL 659–661). Die Form kann als Bestandteil der Tagzeitenliturgie oder als eigenständige Feier konzipiert werden und unterstützt die Symbolik des Lichtes mit entsprechenden Gesängen, Gebeten und Lesungen. Auch diese Form erfreut sich zunehmender Beliebtheit und kann auf verschiedene Weise variiert werden. Aus neuerer Zeit ist schließlich noch der Brauch des Friedenslichtes zu nennen, das von Pfadfindern von Betlehem aus in ganz Europa verteilt wird und so in die Kirchen vor Ort und auch in die einzelnen Häuser ein Zeichen der Hoffnung bringt.

Die Heiligen im Advent

Lichtgestalten und Träger(innen) der Lichtsymbolik sind auch die Heiligen des Advents, allen voran die heilige Lucia, deren Fest in Schweden besonders gefeiert wird. Wie so häufig gehen hier heidnisches Brauchtum und christliche Liturgie ineinander. Denn vor der Einführung des Gregorianischen Kalenders im lutherischen Schweden 1752 war der 13. Dezember, der Gedenktag der hl. Lucia, der Tag der Wintersonnenwende, also der kürzeste Tag des Jahres. Die weiß gekleideten Mädchen mit einem Lichterkranz auf dem Kopf erinnern an die hl. Lucia, die nach der Überlieferung einen solchen Kranz mit Kerzen auf dem Kopf getragen haben soll, um die Hände für die Lebensmittel frei zu haben, die sie verfolgten Christen brachte. Sie bringen symbolisch das Licht zur dunkelsten Zeit des Jahres, das Hoffnung und Leben schenkt.
Aber auch die anderen Heiligen des Advents passen in die Licht-Dunkel-Symbolik, sei es die hl. Barbara, die der Legende nach in einem dunklen Turm eingesperrt war, die hl. Odilia, die als Fürsprecherin bei Blindheit und Augenleiden angerufen wird, oder der Mystiker Johannes vom Kreuz, dessen Konzept der „dunklen Nacht“ eine spirituelle Vertiefung der Dunkelheit bietet, insofern Gott selbst als „Nacht“ erlebt werden kann – eine Erfahrung, die viele Menschen in Notzeiten wie im Krieg gemacht haben und auch heute vielfach machen, weswegen Johannes vom Kreuz mit seiner Mystik durchaus anschlussfähig für den modernen Gottsucher ist.
Die Heiligen der Advents- und Weihnachtszeit – zu nennen wären noch der hl. Nikolaus sowie Stephanus und Johannes als „Gefährten Christi“ direkt nach Weihnachten  – zeigen also auf sehr unterschiedliche Weise, dass wir „Anteil haben am Los der Heiligen, die im Licht sind“ (Kol 1,12).

Die Lichtsymbolik der Weihnachtszeit

An Weihnachten erscheint uns in Christus das Licht der Welt. Dies wird mit einer eindrucksvollen Nacht- und Lichtliturgie in der Feier der Christmette zum Ausdruck gebracht. Auch wenn es – anders als in der Osternacht – liturgisch nicht vorgeschrieben ist, beginnen viele Gemeinden die Christmette im Dunklen und enden auch wieder darin. In die Dunkelheit vor Beginn der Messe kann das Martyrologium als Ankündigung des Weihnachtsfestes hineingesungen werden, was eine dramaturgische Steigerung bietet (warum nicht mehr mit solchen Elementen arbeiten?). Am Ende wird in vielen Gemeinden das elektrische Licht ausgeschaltet und in der nur von Kerzen erhellten Kirche das Weihnachtslied schlechthin – „Stille Nacht“ – gesungen. Auch damit verbinden viele ein intensives Gottesdiensterlebnis. Obwohl die Mitternachtsmesse in der römischen Liturgie nicht die ursprüngliche Feier war, sondern von Heiligland-Pilgern nach Jerusalemer Vorbild nach Rom importiert wurde (Wahle 2018, S. 73), ist sie doch bis heute die Weihnachtsmesse, in der die Lichtsymbolik die größte Rolle spielt.
In den Texten der weihnachtlichen Liturgie wird das Licht immer wieder thematisiert. Der Johannesprolog, der am Weihnachtstag verlesen wird, proklamiert: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Der schon angesprochene Kontrast wird deutlich markiert: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5). Hier zeigt sich, dass mit Weihnachten auch ein Auftrag verbinden ist: Es geht darum, dass wir das Licht der Weihnacht aufnehmen, dass wir zu Lichtträger/-innen werden. Der Lesungstext aus Jes 60 weist uns am Fest der Erscheinung des Herrn auf das eigene „Lichtsein“ hin: „Steh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht“ (Jes 60,1). „Es geht darum, etwas zu tun, nämlich licht zu werden und damit Licht in die Welt zu bringen“ (Brand 2021, S. 7). Weihnachten hat etwas Universales. Das Licht soll allen Menschen leuchten, nur dann ist wirklich Weihnachten.

Das Ende der Weihnachtszeit

Seit der Liturgiereform endet die Weihnachtszeit liturgisch am Fest der Taufe des Herrn, am Sonntag nach Epiphanie. In den Rubriken heißt es beiläufig, dass die Krippen bis zum Fest der Darstellung des Herrn, das früher Mariä Lichtmess hieß (was die Lichtsymbolik besser zum Ausdruck brachte), in den Kirchen stehen bleiben können. Tatsächlich haben es viele Gläubige (und auch einige Liturgiewissenschaftler) als Verlust empfunden, dass die Weihnachtszeit so radikal verkürzt wurde. Und im Hinblick auf die Lichtsymbolik spielt das Fest am 2. Februar vielleicht sogar die wichtigste Rolle in dieser Zeit. Die Segnung der Kerzen und die anschließende Prozession bringen noch einmal abschließend zum Ausdruck, dass Christus das Licht ist, das alle Menschen erleuchtet. Der gregorianische Eröffnungsvers aus Lk 2,32 geht vielen in seiner lateinischen Version noch heute unter die Haut: „Lumen ad revelationem gentium, et gloriam plebis tuae Israel.“ – „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Mit diesem Lobgesang des greisen Simeon, aus dem Dankbarkeit und Hoffnung sprechen, und dem dazu gehörigen Fest endet zwar nicht mehr liturgisch, aber doch symbolisch die Advents- und Weihnachtszeit. Es ist schön, dass er in das Nachtgebet der Kirche (Komplet) aufgenommen wurde und uns so das ganze Jahr begleitet.

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